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Vortragstitel:
Einführung: Grenzenloser Reichtum?
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Geschichte des Mittelalters
Sektion:
Grenzenloser Reichtum? Spätmittelalterliche Reflexionen über Geld, Gier und das Glück

Abstract:

Einführung: Grenzenloser Reichtum?

Referent/in: Petra Schulte, Köln / Peter Hesse, Köln


Abstract

Das Nachdenken über den Reichtum, das von der christlichen Tradition, dem römischen und kanonischen Recht sowie der antiken, vornehmlich aristotelischen, Philosophie beeinflusst wurde, erfolgte im späteren Mittelalter auf europäischer Ebene. Wohlstand und Reichtum, in diesem Punkt stimmten die zeitgenössischen Intellektuellen überein, könne eine Gesellschaft nur in Zeiten des inneren und äußeren Friedens und unter einer gerechten Regierung erlangen. In Anlehnung an Aristoteles warnte man zugleich vor den Extremen. Die Stabilität der sozialen und politischen Ordnung erschien nur dann gewährleistet, wenn das Volk weder zu reich noch zu arm sei. Denn der sehr Reiche missachte die Gesetze aus Hochmut, der sehr Arme aus Not. Allein der Mittelstand, die relative Gleichheit der Menschen, garantiere die Eintracht. Eine solche könne zwischen den sehr Reichen und sehr Armen nicht bestehen, da jene zur machtvollen Durchsetzung ihrer Interessen und zur Unterdrückung der anderen, diese zu Neid und Raub tendierten. Auch wurde der Erwerb von Reichtum mit Sorge betrachtet. Die an ihn gebundene Begierde war nach einem Wort des Apostels Paulus die „Wurzel allen Übels“; der maßlose Wunsch, mehr zu besitzen, als man gemäß der eigenen Stellung zum Leben benötigt, galt als Laster der avaritia, der Habgier und des Geizes. Mahnend hatte schon Aristoteles in der „Nikomachischen Ethik“ geschrieben, dass im Reichtum keine Glückseligkeit bestehen könne, da er nur als Mittel zu anderen Zwecken zu gebrauchen sei.

Das Schwerpunktthema des Historikertages „Über Grenzen“ findet in dieser Sektion in mehrfacher Hinsicht Berücksichtigung. Erörtert werden soll zum einen der grenzüberschreitende intellektuelle Diskurs, der auf unterschiedliche, an Grenzen gebundene politische Gegebenheiten traf, sowie die Selbst- und Fremdbeschreibungen vor diesem Hintergrund. Ferner richtet sich unser Blick auf die Grenzziehung zwischen dem individuellem und dem öffentlichem Nutzen. Worin bestand das Glück des Einzelnen, worin das Wohlergehen der Gemeinschaft? War beides ohne die Tugend denkbar? Oder ohne den Reichtum? Begründeten sich Tugend und Wohlstand wechselseitig? Hatte das Gemeinwesen Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen? Wenn ja, in welchen Situationen und mit welcher Begründung? Hatten die Wohlhabenden in besonderer Weise für die Gemeinschaft einzutreten? Wie begegnete man dem Schicksal? Wie wurden Krisen bewertet? Schließlich ist auf die Grenze zwischen dem Lebensnotwendigen und dem Überfluss einzugehen. Wurde die Definition versucht? War und ist es darüber hinaus möglich, eine Grenze des Reichtums zu bestimmen?