Liberalismus – liberalism
Referent/in: Riccardo Bavaj, St Andrews
Abstract
Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, durch die Untersuchung zentraler Debatten und einschlägiger Lexika sowie von Gegenwartsanalysen liberaler Geistes- und Sozialwissenschaftler den Kommunikationsraum des Liberalismus im deutsch-britischen Vergleich begriffsgeschichtlich auszuleuchten. In Westdeutschland breitete sich seit Ende der 1950er Jahre zunehmend die politische Sprache des „Konsensliberalismus“ aus (Anselm Doering-Manteuffel), bevor ihr Begriffsgefüge durch die Revolte von „1968“ schwer erschüttert wurde. Vor allem im akademischen Feld erfuhr der Liberalismus eine signifikante Neukodierung: Aus „liberal-kritischen“ Professoren wurden „liberal-konservative“, aus Advokaten des Wandels wurden Kräfte der Beharrung. Im britischen Ursprungsland des Liberalismus hingegen entbehrten die studentischen Unruhen jener Dramatik, die sie im Bann des „Weimar-Syndroms“ (A. Dirk Moses) entfalten konnten. Andere Herausforderungen wie der tiefgreifende Strukturwandel, die „Unregierbarkeit“ moderner Demokratien oder die Infragestellung des „sozialdemokratischen Konsensus“ (allesamt ebenfalls in Westdeutschland vorhanden) zogen stärkere Akzentverschiebungen nach sich als „1968“.