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Vortragstitel:
Mittelalterlicher „Datenverkehr“ und seine Hürden
Tag:
01.10.2010
Epoche:
Geschichte des Mittelalters
Sektion:
Passagen über Grenzen

Abstract:

Mittelalterlicher „Datenverkehr“ und seine Hürden. Zu Verzerrungen im Rahmen der Informationsvermittlung zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt

Referent/in: Daniel König, Paris


Abstract

Der Vortrag widmet sich einem Aspekt des transkulturellen Informationstransfers, der Frage nämlich, welche Filter und Veränderungsprozesse Informationen über das lateinisch-christliche Europa durchlaufen und erfahren haben, wenn sie eine „kulturelle Grenze“ überwunden haben und somit in die arabisch-islamische Welt und – konkreter – in die Schriften arabisch-islamischer Geographen und Historiographen gelangt sind. Die bisherige Forschung zur Wahrnehmung und Dokumentation des lateinisch-christlichen Europa in arabisch-islamischen Texten der Periode zwischen dem 7. und dem 15. Jahrhundert hebt häufig die Bedeutung einer „mentalen Barriere“ hervor, die sie als Feindseligkeit, Arroganz und mangelndes Interesse der islamischen Welt gegenüber einem als religiös und zivilisatorisch zurückgeblieben betrachteten mittelalterlichen Europa definiert. Diese Barriere wird dafür verantwortlich gemacht, dass nur wenige, häufig qualitativ minderwertige und außerdem stark verzerrte Information über Europa in der arabisch-islamischen Welt dokumentiert wurden – ein Quellenbefund der nicht unbedingt den Tatsachen entspricht. Natürlich lassen sich zahlreiche Textstellen finden, die die Existenz einer solchen „mentalen Barriere“ beweisen. Fraglich ist aber, welchen Platz man ihr in einer Geschichte der Beziehungen und des Informationsaustausches zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt einräumt und ob man überhaupt von so starren Grenzen zwischen beiden Kulturräumen ausgehen kann, wie dies häufig getan wird. Der Vortrag hebt darauf ab, dass der Transfer von Information über das mittelalterliche Europa zum einen nicht notwendigerweise immer und überall von der genannten mentalen Barriere betroffen war, zum anderen von vielen anderen Faktoren beeinflusst wurde, die zur Filterung und Verzerrung der jeweiligen Informationen beitrugen.