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Vortragstitel:
Der Zionismus im Ersten Weltkrieg
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Nationalismus, Internationalismus und Transnationalismus im deutschsprachigen Zionismus

Abstract:

Der Zionismus im Ersten Weltkrieg

Referent/in: Ulrich Sieg, Marburg


Abstract

Für die Geschichte des deutschen Judentums besitzt der Erste Weltkrieg große Bedeutung. Das Gefühl, von einer „Welt von Feinden“ umringt zu sein, und der Druck der öffentlichen Meinung führten sowohl bei liberalen Juden als auch bei Zionisten zu nachdrücklichen patriotischen Bekenntnissen. Doch hinter dem Schild des „innerjüdischen Burgfriedens“ ging der Streit um die politische und intellektuelle Meinungsführerschaft weiter. Insbesondere kämpfte man darum, die Chiffre „Ostjudentum“ im eigenen Sinne zu fassen. Während zionistische Intellektuelle mit ihren ethnischen und kulturellen Definitionen des Ostjudentums erfolgreich waren, reagierten sie auf die politischen Entwicklungen und ideologischen Verwerfungen der zweiten Kriegshälfte einigermaßen hilflos.

Natürlich protestierten auch Zionisten gegen die „Judenzählung“ im Herbst 1916, doch wurde die prinzipielle Bedeutung des Ereignisses nur selten hervorgehoben. Viele zionistische Intellektuelle, die von der Virulenz des deutschen Antisemitismus seit langem überzeugt waren, sahen sich lediglich in ihrem eigenen Weltbild bestätigt. Die Debatten um Deutschtum und Judentum oder das Ethos der hebräischen Propheten dienten primär der Selbstvergewisserung und hatten kaum direkte politische Implikationen. Die mit der Balfour Declaration verbundenen Perspektiven wurden hingegen kaum erkannt oder gar öffentlich diskutiert. So belegen zionistische Stellungnahmen im Ersten Weltkrieg – bei aller intellektuellen Brillanz im einzelnen – den hohen Preis, der für ein überhöhtes Politikverständnis zu entrichten war.