Rassismus und makroökonomische Theorie um die Mitte des 20. Jahrhunderts
Referent/in: Daniel Speich, Zürich
Abstract
Das Ende der Kolonialreiche ging einher mit einem radikalen Plausibilitätsverlust von rassistischen Legitimationsstrategien imperialer Macht. Zur Deutung weltwirtschaftlicher Ungleichheiten etablierte sich um die Mitte des 20. Jahrhunderts relativ rasch eine makroökonomische Theorie, die von der fundamentalen Gleichheit aller menschlichen Kollektive ausging. Differenzen der Wohlstandsniveaus wurden nicht mehr auf unterschiedliche Befähigungen und Anlagen zurückgeführt und mittels einer rassistischen Anthropologie erklärt. Vielmehr wurde eine universelle makroökonomische Mechanik postuliert, die alle Gemeinschaften mit einem Wohlstandspotenzial versah. Weltwirtschaftliche Ungleichheit galt neu als Ausdruck unterschiedlicher Realisierungsgrade dieses Potenzials.
Der Vortrag beleuchtet die enge Verbindung zwischen der entwicklungsökonomischen Expertise und den moralischen Grundannahmen der Gleichheit und der Universalität, auf denen das System der internationalen Organisation der Nachkriegszeit aufbaute. Es soll geprüft werden, ob die postkoloniale Makroökonomie gegenüber rassistischen Differenztheorien der Kolonialzeit als funktionales Äquivalent zur Sicherung globaler Machtverhältnisse verstanden werden kann.