Überschreitungen und Überschreibungen: Zur Konstruktion von Grenzen in der Frühen Neuzeit

(01. Oktober 2010 - 9.15 bis 13 Uhr - HS 1.406)

Leitung: Prof. Dr. Christine Roll, Aachen / Prof. Dr. Dorothea Nolde, Bremen

 


1. Einführung

Referent/in: Prof. Dr. Dorothea Nolde, Bremen

2. Landesherrschaft und kartographische Revolution. Zur Bedeutung von Karten bei der Konstruktion territorialer Grenzen im Alten Reich

Referent/in: Dr. Andreas Rutz, Bonn

3. Osteuropa in der frühneuzeitlichen Kartographie – Ansichten von Grenzen, Räumen und Kulturen

Referent/in: Prof. Dr. Christine Roll, Aachen

4. Die frühneuzeitliche Datumsgrenze. Zur Konstitution politischer Zeit-Räume im Alten Reich

Referent/in: Prof. Dr. Achim Landwehr, Düsseldorf

5. Kommentar

Referent/in: Prof. Dr. Christophe Duhamelle, Paris


Abstract

Die Frühe Neuzeit war eine Epoche der Grenzen und Begrenzungen. Vor dem Hintergrund des Übergangs von personalen zu territorialen Formen der Herrschaft, eines rasant wachsenden Fernhandels und steigender Reisetätigkeit, einer zunehmenden Vermessung der Welt durch die Kartographie sowie einer steigenden Verrechtlichung zahlreicher Lebensbereiche wurde das Netz der Grenzen im Laufe der Epoche immer dichter und präziser gezogen.

Die Frühneuzeitforschung der letzten zwanzig Jahre hat sich dieses Themas intensiv angenommen. Im Zentrum des Interesses standen dabei zum einen die Strukturierung des politischen Raumes durch die Genese und Konstruktion territorialer Grenzen, sowie zum anderen die Strukturierung des sozialen und kulturellen Raumes durch symbolische Grenzen.

Die Sektion führt diese beiden Ansätze bewusst zusammen, indem sie – im Sinne einer Kulturgeschichte des Politischen – die Wechselwirkung territorialer und symbolischer Grenzen in den Blick nimmt. Territoriale Grenzen, so die Arbeitshypothese, wurden sowohl in ihrer Lokalisation als auch in ihrer Funktion keineswegs allein auf politisch-rechtlicher Ebene definiert, sondern ebenso auf der Ebene symbolischer Bedeutungen. Der Prozess der Konstruktion von Grenzen war mit der Genese einer politisch-rechtlichen Grenze nicht etwa abgeschlossen, sondern setzte sich in Aneignungsprozessen fort, wie bereits jüngere Arbeiten zum Leben in Grenzräumen gezeigt haben. Die Dynamiken der Konstruktion territorialer Grenzen treten besonders deutlich anhand von Grenzüberschreitungen und Grenzüberschreibungen zutage.

Territoriale Grenzen waren bei weitem nicht an allen Orten durch Markierungen oder Grenzposten materialisiert. Grenzen, die im Raum nicht als solche präsent waren, wurden daher oft erst durch die Erfahrung der Grenzüberschreitung erfahrbar. Die Grenze, die auf diese Weise erlebt wurde, war jedoch vielfach nicht die politisch-rechtliche Grenze selbst, sondern eine soziale oder kulturelle Grenze, die sich an Sprache, an Gebräuchen oder an dem Inklusions- und Exklusionsverhalten, das die Aufnahme von Fremden regelte, festmachte. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen rein rezeptiven Vorgang der Wahrnehmung bereits vorgefundener Grenzen, sondern diese wurden durch Prozesse der Wahrnehmung ihrerseits transformiert.

Eine weitere Form der Aneignung und Transformation territorialer Grenzen bestand in ihrer Visualisierung durch Karten und andere bildliche Darstellungen. Auch hier handelte es sich nicht um die bloße Wiedergabe bestehender Grenzen, sondern es kam zu Prozessen des Überschreibens von Grenzen, die deren Bedeutung und gelegentlich auch deren Verlauf neu und anders konstruierten.
Die Beiträge der Sektion stellen anhand ausgewählter Fallbeispiele konzeptionelle Ansätze zur Erfassung von Grenzen in der Frühen Neuzeit zur Diskussion.

Vorträge Epoche
Osteuropa in der frühneuzeitlichen Kartographie – Ansichten von Grenzen, Räumen und Kulturen Frühe Neuzeit
Landesherrschaft und kartographische Revolution Frühe Neuzeit
Die frühneuzeitliche Datumsgrenze. Zur Konstitution politischer Zeit-Räume im Alten Reich Frühe Neuzeit