Imperiale Grenzen als religiöse Grenzen? Grenzvorstellungen und Verteidigungskonzeptionen im Übergang von der Antike zum Mittelalter

(29. September 2010 - 15.15 bis 18 Uhr - HS 1.401)

Leitung: Prof. Dr. Stefan Esders, Berlin / Prof. Dr. Christian Lübke, Leipzig



1. Einführung

Referent/in: Prof. Dr. Stefan Esders, Berlin

2. Die Christianisierung arabischer Stämme im spätrömischen Nahen Osten

Referent/in: Jörg Gerber, Berlin

3. Donaulimes und pannonische Innenbefestigungen in der Spätantike

Referent/in: Dr. Orsolya Heinrich-Tamáska, Leipzig

4. Die Konzeption der Ostgrenze des Imperiums in der Karolingerzeit

Referent/in: Matthias Hardt, Leipzig

5. Das mittelalterliche Ungarn als Grenzland des lateinischen Christentums

Referent/in: Dr. habil. Vincent Múcska, Bratislava

6. Die Červenischen Burgen – ein Grenzraum zwischen lateinischem und griechischem Christentum im 10./11. Jahrhundert

Referent/in: Marcin Wołoszyn, Kraków

7. Kommentar

Referent/in: Prof. Dr. Christian Lübke, Leipzig


Abstract


Jüngere Forschungen haben gezeigt, dass die Epochengrenze zwischen Antike und Mittelalter sich kaum als Scheidelinie zwischen antiken und mittelalterlichen Konzeptionen politischer Räume und Grenzen eignet, sondern dass vielmehr die diokletianisch-konstantinischen Reformen den eigentlichen Einschnitt innerhalb der römischen Geschichte sowie den Ausgangspunkt weiterer Entwicklungen bilden. Wie Untersuchungen zu Grenzen und zur Ethnogenese von gentilen Gesellschaften gezeigt haben, muss das verteidigungspolitische Konzept des spätrömischen Staates mit der Ausbildung organisierter Grenzräume und der Integration föderierter gentes als ein Ausgangspunkt mittelalterlicher Verteidigungskonzeptionen und Staatsbildungsprozesse betrachtet werden. Ein Aspekt, der hierbei bisher wenig Beachtung gefunden hat, ist der Anteil der Religion an diesen Prozessen. Mit der Christianisierung des römischen Imperiums entstand ein neuer Bezug für die Identität der Reichsbevölkerung und für das politische Selbstverständnis des Staates. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit dieses Selbstverständnis an den Grenzen des Imperiums zum Ausdruck gebracht wurde und welche Auswirkungen es auf die Integrationsformen örtlicher Grenzgesellschaften hatte.

Da gerade im Mittelalter das Christentum als Identität stiftendes Element ein bedeutendes antikes Erbe darstellte, ergibt sich hieraus die Notwendigkeit einer epochenübergreifenden Betrachtung, die vom spätrömischen Imperium bis in die fränkische Zeit, ja mit Blick auf Nord- und Osteuropa bis ins Hochmittelalter reicht. Welche Bedeutung hatte beispielsweise die gezielte Christianisierung von grenznahen Völkern im Rahmen außenpolitischer Konzeptionen? Waren religiöse Grenzen essentieller Bestandteil spätrömischer und frühmittelalterlicher Konzepte oder sind sie nur in bestimmten Regionen zu fassen? Lassen sich aus der Errichtung von Kirchen, Missionssprengeln usw. Rückschlüsse auf weitergehende politische Ansprüche erschließen? In welchem Umfang war das in Grenzgebieten stationierte Heer in die Prozesse religiöser Identitätsbildung involviert? Wurden Feindbilder entlang religiöser Grenzziehungen konstruiert? Welche Maßnahmen wurden in Grenzregionen getroffen, um Prozesse regionaler Identitätsbildung zu steuern? In wieweit korrespondieren diese Prozesse mit der Formierung ethnischer Identitäten?

In der Sektion soll anhand von Beispielen, die zeitlich und regional gestreut sind, jeweils punktuell solchen Zusammenhängen nachgegangen werden und der Versuch einer vergleichenden Synthese unternommen werden. Die Sektion kann dabei unter anderem auf Vorstudien zurückgreifen, die in den letzten Jahren in der am GWZO (Leipzig) angesiedelten, vom BMFB geförderten Projektgruppe „Vergleichende Untersuchungen zum sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel in den Grenz- und Kontaktzonen Ostmitteleuropas im Mittelalter“ und an der Freien Universität Berlin in einer Forschergruppe „Grenze und Ethnos in der Spätantike“ im Rahmen des von DFG geförderten altertumswissenschaftlichen Exzellenzclusters „Topoi“ unternommen wurden. Da die Grenzgebiete eines Reiches in der schriftlichen Überlieferung unterdokumentiert sind, ist die Berücksichtigung archäologischer Hinterlassenschaften notwendig. Die Referenten, die für diese transepochale und interdisziplinäre Sektion gewonnen werden konnten, zeichnen sich neben ihrem internationalen Forschungshorizont dadurch aus, dass sie auf eine Synthese aus schriftlichen und archäologischen Befunden hinarbeiten.

Vorträge Epoche
Die Christianisierung arabischer Stämme im spätrömischen Nahen Osten Alte Geschichte
Donaulimes und pannonische Innenbefestigungen in der Spätantike Alte Geschichte
Die Konzeption der Ostgrenze des Imperiums in der Karolingerzeit Alte Geschichte
Das mittelalterliche Ungarn als Grenzland des lateinischen Christentums Alte Geschichte
Die Červenischen Burgen - ein Grenzraum zwischen lateinischem und griechischem Christentum Alte Geschichte