Virtuelle Grenzen der Geschichtswissenschaft. Stand und Perspektiven der Digitalen Geschichtsforschung

(29. September 2010 - 15.15 bis 18 Uhr - HS 1.406)

Leitung: Dr. Malte Rehbein, Würzburg / Dr. des. Patrick Sahle, Köln / Dr. Georg Vogeler, München


Podiumsdiskussion

Prof. Dr. Helmut Flacheneckaer, Würzburg

Dr. Peter Haber, Basel

Jakob Krameritsch, Wien

Prof. Dr. Angela Schwarz, Siegen

Prof. Dr. Manfred Thaller, Köln


Abstract

Die Sektion will eine schwelende wissenschaftliche Diskussion in einer die traditionellen Tagungsformen aufbrechenden Weise fokussieren und entflammen, um ihre Sprengkraft für die weitere Entwicklung der Geschichtswissenschaft erahnbar zu machen: die Rolle der modernen Informationstechnologien für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit. Obwohl auf dem Schreibtisch jeder Historikerin / jeden Historikers ein Computer steht und auch genutzt wird, scheint sich diese Nutzung im Regelfall auch im 15. Jahr des WWW auf Textverarbeitung, Internetrecherche und E-Mail-Kommunikation zu beschränken. Hinter vorgehaltener Hand hört man sogar, der Computer sei „nur etwas für die jüngere Generation“ und brächte eher die Gefahr der Oberflächlichkeit und Entwissenschaftlichung als Vorteile oder gar Veränderungen für die „echte Geschichtsforschung“. Sind also Forscher- und Forschungsnetzwerke, Textauszeichnungssprachen, Datenbanken, Geo-Informationssysteme, fortgeschrittene quantitative und qualitative Analyseverfahren oder Reguläre Ausdrücke wirklich nur etwas für die „Jungen“? Für Wilde und Dissidenten, die ihre wissenschaftliche Laufbahn mutwillig aufs Spiel setzen wollen? Sind die radikalen Positionen, die virtuelle Lehre und Forschung auch in der Geschichtswissenschaft seit etlichen Jahren als nahe Zukunft ansprechen, wirklich nur unrealistische Visionen des ungeduldigen Nachwuchses?


Die Diskussion läßt sich hoffentlich nicht nur als polemischer Generationenstreit führen: So gibt es Fachvertreter, die davon ausgehen, daß sich der Diskurs über Geschichte durch Computer und Internet nicht wesentlich ändern wird, daß Narrationen, individuelle Quellenlektüre und autorenspezifische Publikationen die Modi auch einer Geschichtswissenschaft im Computerzeitalter bleiben werden. Andere postulieren, daß sich Quellenbegriffe, historische Darstellungen und die Methoden zur nachprüfbaren Befragung der Quellen in kollaborativen Netzen, benutzergesteuerten Varianzen, automatisierten Auswertungsprozessen, dem beständigen Fortschreiben oder demokratischen Wikis auflösen werden. Jenseits dieser antithetischen Radikalpositionen ist nach den empirischen Fundamenten zu einer evolutionären Beschreibung der wissenschaftspraktischen und wissenschaftsmethodischen Entwicklung zu fragen, in der eine allmähliche, aber letztlich unausweichliche Integration der neuen Informationstechnologien in die Geschichtsforschung – und die damit verbundenen Rückwirkungen – zu reflektieren ist.


Die Sektion soll zweigeteilt sein: Den Anfang machen kurze Überblicksdarstellungen zum Stand, den Perspektiven und den Entwicklungshindernissen einer Geschichtsforschung unter digitalen Bedingungen. Sie werden einerseits Vorzeigeprojekte, etwa aus dem Bereich elektronischer Quellenkorpora, digitaler Editionen, interaktiver Kartenwerke, Initiativen wie die Schaffung von virtuellen nationalen und internationalen Forschungsinfrastrukturen und interessante methodische Ansätze, z.B. zum Umgang mit komplexen Handschriftenüberlieferungen, zur digitalen Paläographie oder der Geo-Referenzierung exemplarisch illustrieren, andererseits aber auch vermeintliche Sackgassen kritisch benennen und zu Ansätze übergreifender methodischer Betrachtungen führen. Die dabei formulierten Thesen sollen anschließend in einer moderierten Podiumsdiskussionen erörtert werden.

Vorträge Epoche
Virtuelle Grenzen der Geschichtswissenschaft Podiumsdiskussion