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Vortragstitel:
Venezianischer Reichtum zwischen Habgier und Freigebigkeit
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Geschichte des Mittelalters
Sektion:
Grenzenloser Reichtum? Spätmittelalterliche Reflexionen über Geld, Gier und das Glück

Abstract:

Venezianischer Reichtum zwischen Habgier und Freigebigkeit

Referent/in: Peter Hesse, Köln


Abstract

Der in Venedig während des späten Mittelalters allenthalben offen zur Schau gestellte Reichtum wirft die Frage auf, inwiefern sich die Venezianer mit diesem Phänomen des Überflusses geistig auseinandersetzten und wie sie den Reichtum beurteilten? Unter den Venezianern und den Reisenden, welche die Stadt besuchten, finden sich verschiedene Stimmen, die den Reichtum anhand solcher Kriterien bewerten, die auf der Basis der Beobachtung des Umgangs der Menschen mit Gütern im Überfluss aufgestellt wurden. Zu diesen zählt unter anderem die Tugend der Freigebigkeit und das Laster der Habsucht. In dieser Hinsicht verbreiten die Autoren häufig Allgemeinplätze, die sich nicht selten in der Moraldidaxe Europas im ausgehenden Mittelalters finden: Zu diesen Auffassungen gehört etwa, dass der Habsüchtige seiner Umgebung das Leben schwer macht, zu Straftaten bereit ist, um Reichtum zu erlangen, und von Gott geschlagen wird. Es finden sich jedoch auch Schriftsteller, die bescheinigen, dass Freigebigkeit den Empfängern von Almosen ebenso nützlich ist wie bedürftigen Verwandten, dass das gesamte Gemeinwesen vom Reichtum weniger Personen profitiert. Die Aussagen fügen sich allerdings nirgends zu einer kohärenten, geschweige denn logisch aufgebauten Lehre zusammen. Trotz dieser Unterschiede ist jedoch eines allen Autoren gemeinsam: die grundsätzliche Aussage, dass Reichtum den Mitmenschen und dem Gemeinwesen nutzen soll. Dies setzt den rechten Gebrauch, die richtige Anwendung von Hab und Gut voraus. In diesem Sinne argumentieren die verschiedenen Autoren, dass Reichtum für einen sinnvollen Zweck verwendet werden soll. Somit wird der Gedanke des Reichtums um des Reichtums willen ebenso verworfen wie der Genuss des Reichtums allein durch den Reichen. In den Exempeln der Moraldidaxe überwiegen demgegenüber Motive des Gebens als Anleitung zum rechten Handeln. Insgesamt findet sich im Venedig des 15. Jahrhunderts und darüber hinaus in ganz Europa neben solchen gemeinsamen grundlegenden Gedanken eine rege Diskussion, was den Nutzen und den Schaden als auch die Verwendung von Reichtümern und die damit verbundenen Sünden und Tugenden anbelangt, die unter anderem durch die geistigen Gegensätze, welche die Renaissance aufgebrochen hatte, angeregt wurde.