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Vortragstitel:
Strukturwandel. Transfergeschichte eines wirtschaftswissenschaftlichen Konzepts
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Zeitgeschichtliche Forschungen über Fächergrenzen und die Grenzen des Fachs

Abstract:

Strukturwandel. Transfergeschichte eines wirtschaftswissenschaftlichen Konzepts

Referent/in: Kim Christian Priemel, Berlin


Abstract

‚Strukturwandel’ als polyvalenter Begriff hat im 20. Jahrhundert eine bemerkenswerte Karriere gemacht, befördert durch Jürgen Habermas’ viel zitierte Studie über Aufstieg und Niedergang der bürgerlichen Öffentlichkeit, vor allem aber im ökonomischen Diskurs. Die Veränderung von Produktionsregimen und Beschäftigungsverhältnissen, von Betriebsagglomerationen und Arbeitsweisen wurde bereits vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von Wirtschaftswissenschaftlern in erster Linie als sektorale Verschiebung gedeutet, die sich aus technologischer Innovation sowie wachsender Arbeitsproduktivität ableitet und regionale Beschäftigungsprofile – teils radikal – modifiziert. Der Soziologie geriet der Strukturwandel, erweitert um die Dimension gesellschaftlicher Wirkungen und Erfahrungen, Ende der 1960er Jahre zu einem zentralen Baustein der These vom Übergang zur postindustriellen Gesellschaft. Die Zeitgeschichte schließlich adaptierte dieses Modell gleich in zweifacher Weise: als zeitlichen Ordnungsvorschlag für die westliche Nachkriegsgeschichte sowie als Ursache für die Krisenerfahrung „nach dem Boom“ (Doering-Manteuffel/Raphael). ‚Strukturwandel’ wird hier als Passepartout aufgefaßt, unter das sich eine Vielzahl von Transformationsprozessen subsumieren läßt, ohne diese jedoch selbst aufzuschließen. Der Vortrag nähert sich dem Phänomen Strukturwandel aus begriffsgeschichtlicher Perspektive und versucht, die semantischen Schichten eines Konzeptes aufzufächern, das gleichermaßen als Problem, Ursache und Lösung firmiert. Für die Zeitgeschichte bedeutet dies, daß Strukturwandel weniger die Erklärung als vielmehr das eigentlich zu Erklärende ist. Konzeptionalisierung und Historisierung des Begriffs sind ebenso zu reflektieren wie es zu fragen gilt, ob und welche spezifisch zeitgeschichtliche Bedeutung er trägt.