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Vortragstitel:
Empirische Sozialforschung als "Erkenntnisgegenstand" und "Quellenmaterial"
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Zeitgeschichtliche Forschungen über Fächergrenzen und die Grenzen des Fachs

Abstract:

Empirische Sozialforschung als "Erkenntnisgegenstand" und "Quellenmaterial"

Referent/in: Benjamin Ziemann, Sheffield


Abstract

In seiner Sozialgeschichte des deutschen Katholizismus beharrte der Historiker Clemens Bauer 1964 darauf, daß sich „erst aus der Pfarrei- und Pastoralsoziologie der Gegenwart“ der Blick „rückwärts“ auf die Sozialgeschichte der Katholiken öffne. Die Daten dieser Erhebungen seien, so Bauer, zugleich „Erkenntnisgegenstand“ wie „Quellenmaterial“ der Historiker. In dieser Doppelung sind die Chancen und Gefahren umrissen, denen die zeitgeschichtliche Forschung begegnet, wenn sie Ergebnisse der empirischen Sozialforschung für eine Untersuchung der Gesellschaftsgeschichte seit 1945 heranzieht. Während diese Daten zumeist ganz zwanglos dem quantifizierenden Methodenideal der Sozialgeschichte zu entsprechen scheinen, werfen sie doch auch die Frage auf, in welcher Form die Fragestellung, empirische Methodik und das Begriffsraster von ‚surveys‘ eine für die historische Erkenntnis unhintergehbare Konstitutionsleistung darstellen. Der Vortrag wird die Frage diskutieren, ob und wie sich trotz dieses spezifischen ‚Einsatzes‘ der in der empirischen Sozialforschung tätigen Soziologen die von ihnen produzierten Daten in der Zeitgeschichtsschreibung verwenden lassen. Kriterien und Strategien für eine Dekonstruktion und Historisierung empirischer Sozialforschung als „Erkenntnisgegenstand“ und „Quellenmaterial“ werden am Beispiel von demoskopischen Meinungsumfragen und anhand von qualitativen ‚surveys‘ diskutiert. Dabei wird zugleich gefragt, welche Rückwirkungen solche Dekonstruktion auf das Selbstverständnis einer „Geschichte als Historische Sozialwissenschaft“ haben kann und wie weit sich Zeithistoriker von den aktuellen theoretischen Perspektiven der Soziologie lösen können.