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Vortragstitel:
Kulturen des Helfens
Tag:
29.09.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Humanitäre Entwicklung und Rassismus in Afrika südlich der Sahara 1920–1990

Abstract:

Kulturen des Helfens. Die deutsche katholische Mission und die "Entwicklung" Afrikas in der Zwischenkriegszeit

Referent/in: Richard Hölzl, Göttingen


Abstract

Katholische Missionare/-innen waren eingewoben in koloniale Politik, konfessionellen und interreligiösen Wettbewerb, metropolitane Diskurse um katholische Rückständigkeit und die Anforderungen außereuropäischer Missionsfelder. Obgleich an der Peripherie eines Modernitätsdiskurses, wurden ihr Handeln und ihre Erfahrungen außerhalb Europas geprägt von Vorstellungen zivilisatorischer Überlegenheit und eines Entwicklungsvorsprungs europäischer Gesellschaften, aber auch von Kulturkritik. Zugleich waren Missionare und Missionarinnen für katholische, ländliche Bevölkerungsschichten in Deutschland wichtige Vermittler von Wissen über außereuropäische Lebensweisen. Sie produzierten Bilder und Narrative, die sich von der bürgerlich-protestantisch geprägten öffentlichen Meinung unterschieden. Teilweise präfigurierten sie Denkmuster von Entwicklungshilfe und -politik nach 1945. Mein Beitrag wird fragen, welche Vorstellungen von gesellschaftlicher Entwicklung, von Modernität, welche genealogisch-zivilisatorischen Koordinaten ihrem Handeln zu Grunde lagen und wo diese in der Missionspraxis an Grenzen stießen. Ich werde die mediale Präsentation der Mission untersuchen, und fragen, wie sich die Mission zu den Debatten um europäische Superiorität, rassische Differenz und ‚Kulturarbeit‘ stellte und wo die Grenzen der Vermittelbarkeit interkultureller Erfahrung lagen. 

Dabei diskutiere ich zwei spezifische Handlungs- und Diskursfelder: 

Erstens untersuche ich die Schnittstelle von Mission und anthropologischer Forschung am Beispiel der Missionsbenediktiner und des Münchner Völkerkundemuseums. Beide Institutionen kooperierten eng, etwa beim Aufbau der jeweiligen Ostafrika-Sammlungen, bei Feldforschung, Veranstaltungen oder Publikationen. Deutlich manifestiert sich der Konflikt zwischen der Suche nach ‚ursprünglichen‘ Kulturen und der Zivilisierungsmission.

Zweitens analysiere ich Selbstverständnis und Praktiken der Ärzte/-innen des Würzburger Instituts für Missionsärztliche Fürsorge (gegr. 1921). An ihrer Arbeit im südöstlichen Afrika lassen sich neben der diskursiven Konstruktion körperlicher und intimer Differenzkategorien auch die medizinischen Praktiken der Normierung ‚heidnischer Körper‘ beobachten. Zwar galt der ‚Körper des Heiden‘ als idealer Ort zur Demonstration der Überlegenheit europäischen Wissens. In den Berichten und Fallbeschreibungen werden jedoch auch die Brüche im Selbstbild der Zivilisationsbringer deutlich, die sich aus der interkulturellen Begegnung ergaben.