„Wir sind politisch unvereinnehmbar“ - Exkursion in die Gedenkstätte Bautzen

Gedenkstätte Bautzen

Gedenkstätte Bautzen

Der Historikertag ruft – die Fachelite folgt. Doch nicht allein der aktuelle wissenschaftliche Diskurs wird im Programm geboten – vielmehr kann durch ein ausgefülltes kulturelles Rahmenprogramm auch besucht und betrachet werden, was die Geschichtswissenschaft konkret zum Gegenstand hat oder als Ergebnis hervorbringt.

Diesem Angebot folgten bereits am ersten Kongresstag ein Dutzend Besucher zu einer Exkursion nach Bautzen. Ihrer Assoziation folgend, die Stadt insbesondere mit der Geschichte politischer Haft in Verbindung zu sehen, waren die Gäste enorm an der geführten Besichtigung der Gedenkstätte Bautzen interessiert. Ihnen wurde die besondere Bedeutung der Gedenkstätte als Erinnerungsort für die Geschichte politischer Verfolgung und Inhaftierung in den beiden Bautzener Gefängnissen über drei Verfolgungsperioden hinweg verdeutlicht. Durch Erläuterungen an einzelnen Stationen, aber auch durch Ton- und Filmaufnahmen konnten sich die Besucher ein Stück weit einen Eindruck von den Haftbedingungen verschaffen und Anteil an die Biographien einzelner ehemaliger Insassen nehmen. Die Exkursion sollte aber ebenso Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Gedenkstätte geben, um so mehr über die Bedingungen der Gedenkstättenarbeit zu erfahren.

Das Angebot wurde ausführlich angenommen - die Fragen richteten sich sowohl auf die Wahrnehmung des Hauses durch unterschiedliche Besuchergruppen, als auch auf das Verhältnis von Forschung und Öffentlichkeitsarbeit sowie auf den Kontakt zu ehemaligen Häftlingen aber auch Angestellten. In der Konzeption der Ausstellungen ist die Gedenkstätte darauf bedacht, die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit soweit herunter zu brechen, dass man auf das Wesentliche kommt, informiert die Leiterin des Hauses, Silke Klewin. Dabei stellt sich die Quellenlage unterschiedlich und zum Beispiel für die Geschichte des Stasi-Knastes teilweise als Puzzleversatz dar – sind doch Akten der Staatssicherheit im Herbst 1989 wie auch anderswo der Zerstörung durch die jeweiligen Stellen zum Opfer gefallen.

Die Vermittlung von Geschichte am historischen Ort wird heute in Gedenkstätten, als Museen besonderer Art, auf die individuellen Zugangswege zum Thema zugeschnitten. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei die Bildungsarbeit für Schüler und Studierende, die nicht nur zu Führungen in das Haus kommen, sondern sich ebenso über mehrstündige Projekte oder gar Projekttage die Thematik angeleitet erarbeiten können.

Übereinstimmend sehen die Gäste das Wirken der Gedenkstätte Bautzen als große Chance, die Diktaturgeschichte des letzen Jahrhunderts in ihren Erscheinungsformen, in Differenziertheit ihrer Erscheinungsform begreifbar zu machen und damit Tendenzen eines vereinheitlichenden Verständnisse davon, was eine Diktatur ist, wie sie entsteht und wirkt, entgegenzuwirken: „In unserer Nähe befindet sich Dachau – dass ist der Zugang zu Diktatur für unsere Schüler. Danach aber haben wir nichts mehr adäquat auf dem Plan – beinahe gerät es so ins Vergessen“, bekräftigt eine Besucherin ihr Einschätzung. Dabei gab es Anfang der 1990er Jahre Pläne zum Nutzen des geschlossenen Gefängnisbaues, der auch eine vollkommene Beräumung des Hauses folgte. Die Existenz verdankt die Gedenkstätte letztendlich nicht landespolitischen Ambitionen, sondern dem Drängen der ehemaligen Häftlinge beider Gefängnisse. Bis heute bleibt das Verständnis der Politik über Aufgabe und Ausrichtung der Gedenkstätte uneinheitlich – doch man könne gar nicht anders, als sich der gesamten Geschichte politischer Haft in Bautzen zu widmen, denn der Weg entlang der Ausstellungsbereiche folgt keiner chronologischen Reihenfolge.

Heute verzeichnet das Haus knapp 90.000 Besucher im Jahr – fast ebenso viele, wie in die Stadt kamen. So wird sich auch weiterhin ein Publikum finden.

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