Wirtschaftliche Ungleichheiten - ein hochbrisantes Thema

Ungleichheiten hat es schon immer gegeben. Erstaunlich wenige Zuhörer folgten jedoch den dreißigminütigen Vorträgen der fünf Referenten am Morgen im Audimax. Dabei sind wirtschaftliche Ungleichheiten nicht nur ein Problem des 20. Jahrhunderts, sondern weiterhin ein hochaktuelles Thema der heutigen Zeit.

Warum gibt es reiche Länder und warum werden sie immer reicher? Die heutige tiefe Kluft zwischen armen und reichen Ländern war eine Folge der industriellen Revolution mit ihren enormen Wachstumsraten gewesen. Die Industrialisierung ist ein komplexer Begriff, deren Vorgänge nur schwer fassbar und zu erklären sind. Der Referent Prof. Dr. Peer Vries von der Universität Wien charakterisierte sie als ein „Wunder der Geschichte“. Er wies darauf hin, dass Europa vor der Industrialisierung keinesfalls so fortschrittlich war wie angenommen wird. In mehreren Vergleichen versuchte er außerdem, die damalige Situation in Europa und die heutige in China gegenüberzustellen.

Im Jahr 1940 publizierte der britische Ökonom Colin Clark eine viel beachtete und aufsehenerregende Studie der Wirtschaftskraft aller Staaten der Welt mit einem erschreckenden Ergebnis – mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Der Vortrag von Dr. Daniel Speich vom Institut für Geschichte in Zürich gab einen Überblick über die Geschichte der volkswirtschaftlichen Statistik. Heute gewähren zahlreiche volkswirtschaftliche Kennzahlen wie der HDI-Index oder das Bruttoinlandsprodukt Aufklärung über den Wohlstand oder wirtschaftliche Ungleichheiten eines Landes.

Der Zweite Weltkrieg hat unsägliches Leid über die Völker der Welt und Europas gebracht. Während des Krieges schon hatte sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln dramatisch verschlechtert. Hungerkrisen in der Sowjetunion, China und Indien ließen die globale Dimension der Ernährungsfrage sichtbar werden. Prof. Dr. Alexander Nützenadel von der Universität Frankfurt/Oder gab einen Überblick über Ansätze zur Bekämpfung weltweiter Hungerkrisen, welche von der im Oktober 1945 als Sonderorganisation der UNO gegründeten Food and Agriculture Organisation (FAO) entwickelt worden waren. Nahrungsmittellieferungen aus Überschussregionen, Transfer und Modernisierung von Agrartechnologie und der Aufbau eines weltweiten Handelssystems sollten langfristige Erleichterungen für die ärmeren Länder bringen.

Die Bandung-Konferenz 1954 markiert den Beginn der „Dritten Welt“, damit war jedoch auch verbunden, dass sich die Rivalität der Sowjetunion und der USA um Einfluss in der Weltpolitik zunehmend in Staaten der Dritten Welt verlagerte. Dr. Corinna R. Unger vom Deutschen Historischen Institut in Washington verdeutlichte sehr eindrucksvoll die amerikanische Modernisierungspolitik anhand der zwei privaten Stiftungen, der Rockefeller und Ford Foundation vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Ziel war es gewesen, in den Entwicklungsländern ein bestimmtes Maß an individuellen Wohlstand zu erreichen, da man überzeugt war, dass dadurch der Kommunismus seine Attraktivität verliere.

Prof. Dr. Andreas Eckert (Professor für die Geschichte Afrikas an der Humboldt Universität zu Berlin) war kurzfristig für einen Kollegen eingesprungen. In seiner Rolle als Kommentator fasste er wichtige Eckpunkte der Vorträge seiner Vorredner zusammen, sprach aber auch neue Aspekte an, bevor er anschließend zur Podiumsdiskussion überleitete, an der sich zahlreiche Zuhörer beteiligten. Dem Publikum wurde erneut vor Augen geführt, dass das weltweite Hungerproblem auch ein Problem des 21. Jahrhunderts bleibt und dass wirtschaftliche Ungleichheiten zugenommen haben.

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