Abstract
Markets are an efficient institution to negotiate and process needs in an organized way and without open conflicts. This capacity is hardly questioned anymore, still “the market” as an abstraction as well as processes of marketization seem to remain inherently scandalous. Markets seem to produce “divided societies”: in a social and economic perspective, markets continually produce winners and losers; in an intellectual perspective, the idea of the market itself is controversial at all times. Often it is exactly its promise of functionality and efficiency that puts markets in the center of the debate, representing its most attractive and most contentious feature at the same time, as efficiency criteria seem to favor certain results and social groups while ignoring other factors. Debates about the legitimacy, scope and regulation of markets reflect controversies about economics but also about political claims to regulation, social relations and questions of individual quality of life. How “economic” or “moral” were these arguments? Did a prolific negotiation process evolve from the debate, or was it just a moralizing soliloquy of market apologists and critics on either side? Did the debate and the regulation provoked by it provide an impulse for the creation of new markets or the development of existing ones? We assume that the market as a “scandalon” can manifest itself in four ways: 1st concerning access to markets and the (il)legitimacy of market players; 2nd in debates about (il)legitimate goods and their trading on a free market; 3rd in discussions about the marketization or commodification of goods and social relations; and 4th in debates about market failure and blind spots of markets. Each of these dimensions will be at the center of one of the four presentations of the panel.
Benjamin Möckel (Oxford/Köln)
Moderation
Jürgen Finger (Paris)
Legitimität durch Abgrenzung? Die Akteure des grauen Finanzmarkts von Paris um 1900
Die Legitimität des Kulissenhandels an der Pariser Börse stand vor dem Ersten Weltkrieg immer wieder zur Debatte, wobei die Legalität dieses Marktsegments ebenso wie die Legitimität einzelner Akteursgruppen in Frage standen. Innerhalb dieses Marktes lassen sich die soziale Schließung gegenüber vermeintlich ungeeigneten Anlegern (Frauen, Unterschichten) sowie die Herstellung einer sozialen Hierarchie der Marktakteure beobachten. Ein besonderes Skandalon war der hohe Anteil ausländischer, naturalisierter oder jüdischer Akteure. Die Frage nach der Legitimität der Akteure war immer auch ein Ansatzpunkt für eine Debatte um die Moral des Finanzmarkts an sich.
Sina Fabian (Berlin)
Das streitbare Gut: Debatten über die Herstellung und den Handel von Alkohol in der frühen Weimarer Republik
Die Herstellung und der Handel von Alkohol waren insbesondere in den frühen Jahren der Weimarer Republik stark umstritten. Die teils erbittert geführten Debatten kreisten insbesondere um die Frage der Legitimität des Alkoholhandels in einer Zeit, in der Rohstoffreserven und Kaufkraft der „Normalbevölkerung“ knapp waren. Zu einem besonderen Skandalon wurden sogenannte „Inflationsgewinner“ und „Fremde“, die sich vermeintlich als Einzige Alkohol überhaupt leisten konnten. Während die Alkoholgegner stark moralisch argumentierten, bedienten sich Alkoholproduzenten vor allem volkswirtschaftlicher Argumente und betonten die zentrale Bedeutung alkoholischer Getränke in der deutschen Wirtschaft.
Robert Bernsee (Göttingen)
Neue Märkte durch neues Recht? Expertendebatten über Urheberrechte im deutsch-amerikanischen Vergleich
Urheberrecht soll Hersteller immaterieller Güter schützen und zur Produktion derselben anregen. Aus ökonomischer Sicht gilt es als Institution, die Marktversagen „heilt“ und Prozesse der Vermarktlichung unterstützt. Der Vortrag untersucht in einem diachronen Vergleich Prozesse der Vermarktlichung und die Aushandlung ihrer Bedingungen am Beispiel von Gesetzesänderungen, die jeweils etwa zeitgleich in den 1900er und 1960/1970er Jahren in den USA und (West-)Deutschland erfolgten. Unklar ist bisher, welche Bedeutung dem Markt-Argument in den zeitgenössischen Urheberrechtsdebatten zukam, zumal „Marktgängigkeit“ oft nicht als legitimes Kriterium für die betroffenen Güter galt.
Hartmut Berghoff (Göttingen)
Von der Exportförderung zur Straftat. Die Debatte um die Kriminalisierung der Auslandskorruption in der Bundesrepublik, 1970–2002
Bis 1998 beziehungsweise 2002 war Bestechung durch deutsche Unternehmen im Ausland als „nützliche Ausgaben“ steuerlich absetzbar. In den 1990er Jahr vollzog sich jedoch ein Wertewandel, der die sozialschädlichen Folgen von Korruption kritisierte. Die Initiativen zur weltweiten Kriminalisierung der Auslandskorruption trafen zunächst auf erbitterten Widerstand, denn diese galt vielfach als unverzichtbar, um international konkurrenzfähig zu sein. Die Debatte um die Bewertung der Auslandskorruption handelt vom Wandel der Normen des Marktes, von der Kritik an und der Verteidigung tief verwurzelter Verhaltensweisen.