Jörg Ganzenmüller Katharina Hochmuth (Chair of the panel)

Public Representations versus Biographical Experiences? Contested Interpretations of the Peaceful Revolution and the German Unification

Abstract

In October 2020 Germany celebrates the 30th anniversary of its unity. This time, however, the celebrations are accompanied by more and more critical voices. In addition to the appreciation of what has been achieved the focus shifts towards the difficulties of the process of the German Unification. The alleged success story of the German Unity is being increasingly questioned and becomes the subject of conflicting interpretations. Again, the economic consequences of the unification process become the focus of attention, yet with a limited perspective on the so called “Treuhand” agency that transferred the eastern enterprises from socialist to capitalist economy. Today, the experiences of the East German people in the 1990s appear as a completely different story compared to the unification narratives of West Germans. There are more and more East German voices emphasizing the specifics of an East German identity that is based on the experiences in the late GDR and the subsequent transformation. Different political players challenge the meaning of the Peaceful Revolution and name the changes of the 1990s as cause for current social problems in East Germany. Hence there is a complex debate about where to locate the Peaceful Revolution and the process of German Unification in German history. There is a conflict between the public remembrance on the one hand and personal experiences and family narratives on the other hand. The panel scrutinizes competing interpretations of the German Unity by exploring three different perspectives: First, it focusses on different players in the public debate and on the political preconditions and implications of the competing meanings. Second, it explores the historical causes for the conflict between the historical representations of the German Unity and the communicative memory of the East German people. Third, the panel discusses how the transfer of historical knowledge in educational contexts might potentially benefit from these competing interpretations.

Katharina Hochmuth (Berlin)
Einführung: Der Ort der deutschen Einheit in der Erinnerungskultur
Jörg Ganzenmüller (Weimar/Jena)
„Vollende die Wende!“: Umdeutungen von Revolution und Transformation in Deutschland und im östlichen Europa

Die AfD reklamierte zuletzt das Erbe der Friedlichen Revolution für sich erfährt dabei heftigen Widerspruch von Seiten der damaligen Akteure. Vergleichbare Debatten finden auch in Ostmitteleuropa statt. Die polnische Regierungspartei PiS stellt sich mit großem Erfolg als die politische Kraft dar, die endlich jenen Bruch mit den alten Eliten der Volksrepublik vollzieht, der am Runden Tisch 1990 ausgeblieben sei. Und Viktor Orbán legitimiert den Umbau des demokratischen Rechtsstaats als Vollendung der 1989 begonnenen Demokratisierung. Die Deutungskämpfe um die revolutionären Umbrüche von 1989/90 und deren Folge sind in vollem Gange und werden in dem Vortrag vergleichend betrachtet.

Christiane Kuller (Erfurt)
Biographische Erfahrungen und deren transgenerationelle Weitergabe: Das Familiengedächtnis als wirkmächtige Deutungsinstanz in der ostdeutschen Gesellschaft

Das gesellschaftliche Bild von der Friedlichen Revolution und der darauffolgenden Transformationsphase beruht heute nur zum Teil auf kritisch-reflektiertem Wissen. Eine zentrale Rolle spielen daneben auch lebensweltliche Erfahrungen, die im Familiengedächtnis tradiert werden. Dabei tritt zunehmend eine Dissonanz zwischen dem öffentlichen Geschichtsbild und dem privaten Familiengedächtnis zutage, in der der affirmativen öffentlichen Würdigung der deutschen Einheit kritische Bewertungen des deutschen Vereinigungsprozesses als Krisenzeit gegenüberstehen. Ausgehend davon geht der Vortrag den familiären Narrationen nach und fragt nach Möglichkeiten des Dialogs zwischen konkurrierenden Deutungen.

Helge Schröder (Hamburg)
Zwischen Sinnstiftung und demokratischem Geschichtsbewusstsein: Friedliche Revolution und deutsche Einheit im Schulunterricht

Die Geschichte der DDR hat im Geschichtsunterricht einen schweren Stand. Das liegt weniger an ihrem Thema als an der „inhaltlichen Überfüllung“ und dem Zeitmangel in den 10. Klassen der weiterführenden Schulen. Wenn sie aber unterrichtet wird – und sei es in der Reduktion auf die Friedliche Revolution und die Deutsche Einheit –, dann zeigen sich ungeahnte Chancen: Lebendige und multimediale Quellen, das Spannungsverhältnis von Kontinuität und Revolution sowie eigene biographischen Bezüge motivieren viele Schülerinnen und Schüler. Von diesen beiden gegensätzlichen Voraussetzungen ausgehend, werden in dem Vortrag konkrete Unterrichtszugänge diskutiert, mit denen konkurrierende Deutungen und multiperspektivische Ansätze in den Unterricht integriert und so eine dauerhafte Verankerung der DDR-Geschichte in schulinternen Curricula erreicht werden können.