Japan, Korea, and Central Europe. Social Change in Medieval and Early Modern Societies in Comparison
Mitte des 11. Jahrhunderts entstand mit der „Erzählung aufblühender Pracht“ (Eiga monogatari) über den Aufstieg des mächtigen Hofministers Fujiwara no Michinaga eine neuartige und gegenüber den älteren Hofchroniken stärker fiktional verfahrende Geschichtsdarstellung. In ihr hat man das Resultat einer kulturellen Verdichtung im kontinuierlichen Akkulturationsprozess chinesischer Einflüsse zu erkennen, der die Kulturentwicklung Japans bis in die Moderne prägte. Zugleich lassen sie sich als ein Symptom für die gewandelten soziopolitischen Verhältnisse verstehen. Die neuen Geschichtserzählungen und deren Voraussetzungen bieten somit ein geeignetes Fallbeispiel zur Diskussion von Eigendynamik am japanischen Quellenmaterial an.
Der Blick auf hochadelige Handlungsweisen und Motivlagen als Stifter und Wohltäter schließt Erkenntnisse für Veränderungsprozesse von sozialen Formationen seit dem 12. Jahrhundert auf. Gemeinschaften von Klerikern, Mönchen und Nonnen sind auf ihre Funktion als Teilbereiche von dynastischen Geschlechtern hin zu befragen. Aus der Zugehörigkeit zu nebeneinander angeordneten Personenverbänden wie Adelsfamilien, Klöstern oder Städten ergaben sich besondere Konstellationen, die eine Dynamik auslösten und neue Formen hervorbrachten. Eine ‚relationale‘ Geschichte des Monastischen zeigt hierarchisch gegliederte Gruppenbildungen, die sich durch Wettbewerb unter Herrschaftsträgern, die Präsenz am Hof, in Kirche und Stadt sowie Aushandlung von innewohnenden Konflikten ständig wandelten.
In Debatten und Konfliktbewältigungsstrategien der neo-konfuzianisch orientierten Chosŏn-Zeit (1392-1910) in Korea spielte das Konzept kongnon, semantisch changierend zwischen „öffentlicher” bzw. „Mehrheits-Meinung” und „gemeinwohlorientierter Meinung”, eine tragende Rolle. Die Beteilung an politischer Meinungsbildung war grundsätzlich ein Privileg der Hauptstädter, insbesondere der am Hof tätigen Beamten; der Begriff des kongnon jedoch erschwerte gerade mit seiner moralisch-normativen Konnotation eine Rechtfertigung der Beschränkung des Mitspracherechts auf diese kleine Gruppe. Der Vortrag wird auf der Grundlage eines von heftigen Debatten begleiteten politischen Vorfall des ausgehenden 16. Jh. und dessen umfangreicher zeitgenössischer Dokumentation die aus der Friktion von politischem System und im kongnon-Begriff kristallisierter politischer Ideologie entstehende Dynamik in den Blick nehmen.
Wirtschaftlicher Austausch konnte nur funktionieren, wenn Kaufleute immer wieder zu einem Konsens darüber kamen, wie der Handel geregelt werden sollte. Diese Aushandlungsprozesse setzten manchmal profunde soziale Wandelungsprozesse in Gang. Der Vortrag diskutiert ein Beispiel aus dem Hanseraum: Weil sich um 1500 die Normen kaufmännischen Handelns veränderten, wurde eine Dynamik losgetreten, die den organisatorischen Charakter des Hansekontor veränderte: Aus einem Wohn- und Gemeinschaftsort wurde de facto schon im 16. Jahrhundert eine Art von diplomatischer Vertretung, wie sie erst im 17. Jahrhundert explizit konzipiert wurde.