(Chair of the panel)

Historical Violence: Contesting a Heterogenous Concept and Practice

Abstract

„Violence“, even more so than other concepts, seems to elude straightforward definitions. The panel aims to seize on this conceptual heterogeneity by inquiring into the interpretative struggles that accompanied the history of violence in the 19th and 20th centuries. We argue that these often broke down into binarisms such as public/private, legitimate/illegitimate, political/criminal. Our case studies span the period from the late 19th to the late 20th century, comprise different political spaces and systems and focus on state actors, paramilitary groups and activists of civil society. We address the following questions: How was violence conceptualized, expressed and circumscribed? Which media and discursive strategies did actors employ? How did different political conditions and forms of state influence the concept and practice of violence? Are there continuities across longer periods and how may these be explained? We aim to connect these questions to several historiographical debates of recent years, such as those on the significance of communications and medialization for modern practices of violence, on the degree of internal pacification in turn-of-the-century Europe, on the significance of violence for colonial conquest and rule, and on the legacy of experiences of violence after the Second World War.

Nicola Camilleri (Padua)
Bürger, die schießen. Staatliches Gewaltmonopol und private Waffennutzung in den Schützenvereinen um das 19. Jahrhundert

Schützenvereine waren unter den am meisten verbreiteten Geselligkeitsformen im Kaiserreich. Ihre Mitglieder trafen sich regelmäßig, um das Schießen zu üben und ihren Gemeinsinn im nationalen Rahmen zu zelebrieren. Männlichkeitsideale und Respektabilität waren dabei mit der Fähigkeit, Waffen zu nutzen, verwoben. Der Beitraganalysiert die Bedeutung der Schützenvereine in ihren verschiedenen Facetten. War das Schießen nur körperliche Betätigung und emotionale Unterhaltung oder hatte es auch eine politische Dimension, insofern es die Bereitschaft förderte, sich für die nationale Gemeinschaft einzusetzen? Wie regelte der Staat die Frage seines Gewaltmonopols in diesem Zusammenhang?

Marie Muschalek (Freiburg im Breisgau)
Zwischen öffentlicher und privater Gewalt: Polizeiliche Alltagspraxis und Staatlichkeit in Deutsch Südwestafrika

Untersucht wird das Verhältnis von Gewalt und Kolonialismus am Beispiel Deutschsüdwestafrikas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Fokus stehen dabei ca. 600 Männer der sogenannten „Landespolizei“, bestehend aus Deutschen und Afrikanern. Ihnen oblag es, eine moralische Ökonomie des Akzeptierten und Normalen zu generieren, indem sie in Reaktion auf das Gewalthandeln deutscher Siedler definierten, was als „richtige“/“falsche“ Gewalt zu gelten habe. Damit veränderten sie gleichzeitig das Verhältnis zwischen „privater“ und „öffentlicher“ Gewalt.

Claudia Gatzka (Freiburg im Breisgau)
Politische Alltagsgewalt in der jungen Bundesrepublik. Zu den Hintergründen des Versammlungsordnungsgesetzes

Zwar gilt die junge Bonner Republik gemeinhin als recht geordnete Demokratie, doch lässt nicht nur die Verabschiedung des Versammlungsordnungsgesetzes von 1953 erahnen, dass agonale Begegnungen und körperliche Auseinandersetzungen in und außerhalb von Wahlkämpfen in den vierziger und fünfziger Jahren keine Seltenheit darstellten. Um die Hintergründe der Entstehung des Gesetzes auszuloten, wird gefragt, inwiefern körperliche Auseinandersetzungen, Saalschlachten, „Sprengungen“ und andere Praktiken als „politisch“ markiert und zu Semantiken der Demokratie in Beziehung gesetzt wurden.

Catherine Davies (Zürich)
Was ist „kriminell“, was ist „politisch? Deutungskämpfe um Gewalt zwischen Frauenbewegung und Linksterrorismus in den 1970er/80er Jahren

Die siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts waren in Westdeutschland von gesellschaftlichen und politischen Deutungskämpfen über verschiedene Formen von Gewalt geprägt. Politische Akteure sprachen linksextremen Gruppierungen und ihren Gewaltstrategien den Anspruch auf politisches Handeln ab, indem sie sie als „kriminell“ etikettierten. Die Akteurinnen der Bewegung gegen Gewalt gegen Frauen verfolgten eine gewissermaßen spiegelbildliche Strategie, indem sie häusliche Gewalt als „politische“ markierten. Der Beitrag setzt diese beiden scheinbar gegenläufigen Bewegungen zueinander in Beziehung und analysiert sie im Kontext der begriffspolitischen Deutungskämpfe der Zeit.

Sven Reichardt (Konstanz)
Kommentar