Jan Logemann (Chair of the panel)

Bodies and Markets: Controversies regarding the Treatment of Bodies and Human Life in Modern Market Economies

Abstract

Controversies regarding the relationship between human bodies and markets have a long history in modern market societies. Human life and bodies were long seen as a market taboo, an area where overt commercialization was not deemed socially acceptable. Especially at the beginning and the end of life, human bodies are often regarded as in need of special protection, and the legitimacy of market mechanisms is frequently challenged. The four papers in this panel will connect recent research on histories of the body with a cultural history of the economy and a resurgent interest in moral economies. Spanning from the late 19th to the early 20th century, the papers focus on 1. Birth: the rise of markets for reproductive medicine, 2. Youth: commercial promises of maintaining or restoring youthfulness and their critics, 3. Old Age: Debates around the growing market for professional long-term care in contrast to care as a familial obligation, 3. Death: controversies over the boundaries between piety and consumer sovereignty in funeral markets. The panel questions linear narratives of commercialization and focuses on the tensions between market-driven change and the mobilization of moral resources to challenge such transformations.

Denise Lehner-Renken (Göttingen)
Zwischen Macht, Markt und Moral. Praktiken der Reproduktionsmedizin und das Arzt-Patientin-Verhältnis in der Bundesrepublik

In den 1980er Jahren konstituierte sich rund um reproduktionsmedizinische Innovationen wie die In-vitro-Fertilisation ein Markt in der Bundesrepublik. Der Beitrag nimmt dessen zentrale Akteure in den Blick: Reproduktionsmediziner und ihre Patientinnen. Erstens soll gefragt werden, welchen Einfluss moralische Debatten über die Vermarktlichung der modernen Reproduktionsmedizin auf das Selbstverständnis und die Praktiken von Patientinnen hatten. Diente ihnen die Inanspruchnahme neuer reproduktionsmedizinischer Verfahren als Mittel zur Selbstermächtigung oder verstärkte es die Diskriminierung der Kinderlosigkeit und Praktiken der Selbstoptimierung? Zweitens gilt es, das Arzt-Patientin-Verhältnis näher zu beleuchten und zu fragen, inwiefern eine Vermarktlichung den Umgang der Mediziner mit ihrer Klientel – von Patientinnen zu Kundinnen – veränderte.

Mischa Honeck (Kassel)
„Buying Young“: Transatlantische Verjüngungsökonomien in den 1920er Jahren

Der Beitrag nimmt Verjüngungsökonomien in den Blick, die sich nach dem Ersten Weltkrieg auf beiden Seiten des Atlantiks herausbildeten und die Regeneration alter(nder) und erschöpfter Körper – individuell wie auch kollektiv – versprachen. Das Spektrum reicht dabei von „harten“ Praktiken der medizinisch-invasiven Verjüngung (z.B. der modernen Sexualchirurgie) bis zu „weicheren“ Formen des Anti-Aging, wie sie die expandierende Kosmetikbranche anbot. Potenzsteigernde Eingriffe aber auch die steigende Nachfrage an kosmetisch-dermatologischen Produkten forderte den Widerspruch von religiösen und konservativen Gruppierungen heraus. Im Zentrum soll die Frage stehen, welche Widerstände und Machtdifferenzen die konsumistische Verjüngung erzeugte, in Hinblick auf Klassenunterschieden, Geschlechterhierarchien, aber auch koloniale Abhängigkeiten.

Nicole Kramer (Köln)
Als der Respirator zum Haushaltsgerät wurde: Alter, Gebrechlichkeit und die Vermarktlichung der Intensivpflege

Der Pflegemarkt geriet in den 1980er Jahren gehörig in Bewegung. Immer mehr alte Menschen holten sich professionelle Hilfe, um trotz zunehmender körperlicher Gebrechlichkeit einen eigenen Haushalt weiterzuführen. Viele griffen auf private Dienstleister zurück. Die üblichen Deutungsansätze, die auf den sozialpolitischen Rückbau und die Diskursmacht neoliberaler Denkkartelle verweisen, greifen zu kurz, um diesen Wandel zu erklären. Der Vortrag wird den Blick um kultur- wie technikgeschichtliche Perspektiven weiten. Die Geschichte vom Wachstum der privaten Altenpflege nach dem Ende der wohlfahrtsstaatlichen Blütezeit handelt eben nicht nur von Dauerpflegepatienten, die im ökonomisierten Krankenhaus keinen Platz mehr fanden. Es geht ebenso um die moralische Idealisierung der häuslichen Pflege sowie um medizintechnische Fortschritte.

Jan Logemann (Göttingen)
Pietät und Recht am eigenen Körper: Bestattungen zwischen Markt und Moral im 20. Jahrhundert

Ob in Friedwäldern oder als Erinnerungsdiamant, der Umgang mit den sterblichen Überresten des eigenen Körpers wird in Deutschland und den USA zunehmend individuell gehandhabt. Die wachsende Zahl kommerzieller Bestattungsangebote wird kontrovers diskutiert, da die Wahlfreiheit der Konsumenten z.T. in einem Spannungsverhältnis zu hergebrachten gesellschaftlichen Vorstellungen von Pietät steht. Stellt der Umgang mit toten Körpern einen finalen Tabubruch in Zuge umfassenderer Vermarktlichungsprozesse dar? Dieser Frage soll hier mit Blick auf die Bestattungsmärkte des frühen 20. Jahrhunderts nachgegangen werden. Der Beitrag fragt dabei auch nach dem Entstehen einer spezifischen Form der Pietät mit stark korporatistischen Marktstrukturen, die lange zur Ausgrenzung toter Körper aus der Gesellschaft beigetragen hat.

Hannah Ahlheim (Gießen)
Kommentar