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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Gab es „den“ Wertewandel?

Zeit: 27.09.2012, 09:15 - 13:00
Ort: P 2
Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

Sektionsleiter/in: Bernhard Dietz (Mainz) / Christopher Neumaier (Potsdam) / Andreas Rödder (Mainz)

Abstract:
Kaum eine der vielen neuen Studien zur Geschichte der Bundesrepublik kommt ohne einen Rekurs auf „Werte“ und „Wertewandel“ aus. Dabei wird der Wertewandel der späten 1960er und frühen 1970er Jahre als eine von mehreren Erklärungen für die weitreichenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts gesehen. Dafür greifen Historiker auf die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Werteforschung, die für diese Zeit einen „Wertewandlungsschub“ von „Pflicht- und Akzeptanzwerten“ hin zu „Freiheits- und Selbstentfaltungswerten“ (Helmut Klages) konstatierte, zurück.

Aus einer historisch-analytischen Sicht ist allerdings nicht geklärt, welche Bedeutung Werte – verstanden als allgemein akzeptierte und handlungsleitende Orientierungsstandards auf kollektiver und individueller Ebene – und ihrem Wandel für den allgemeinen gesellschaftlichen Wandel zukommt. Zweitens ist der von den Sozialwissenschaften mit den Mitteln der quantifizierenden Umfrageforschung erhobene „Wertewandelsschub“ mit einem qualifizierenden historisch-empirischen Zugriff zu überprüfen. Und drittens sind die beobachteten Phänomene in eine längere diachrone Perspektive einzuordnen. Denn die, seitens der sozialwissenschaftlichen Forschung angenommene, Vorstellung eines breit verankerten und „traditionellen“ Wertmusters, das sich erst um 1970 plötzlich verändert habe, erscheint angesichts der Komplexität bürgerlicher Wertvorstellungen schon im 19. Jahrhundert kaum plausibel. Es ist daher angebracht, die Ergebnisse der Wertewandelforschung der 1970er einer kritischen Historisierung zu unterziehen. Die empirische Leitfrage der Sektion lautet somit ebenso einfach wie zugespitzt: Gab es den Wertewandel? Die Sektion möchte darüber hinaus unter methodisch-konzeptionellen Gesichtspunkten die Rolle von Werten und ihrem Wandel für die Zeitgeschichtsforschung klären und ganz grundsätzlich das Verhältnis von sozialwissenschaftlichen und historiographischen Analysekategorien diskutieren.

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