Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

copy&waste. Selektive Rezeptionen mittelalterlicher Geschichte als Erinnerungsproblem

Zeit: 26.09.2012, 09:15 - 13:00
Ort: P 3
Kategorie: Mittelalter

Sektionsleiter/in: Gerald Schwedler (Zürich) / Kai-Michael Sprenger (Rom)

Abstract:
Das Mittealter stellt ein reiches, oft bemühtes Reservoir an Themen dar, das in sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten als Erinnerungsangebot herangezogen wird. Die Begriffe „copy“ und waste“ verweisen pointiert auf diesen selektiven Umgang mit der „Ressource Vergangenheit“ als verhandelbares Erbe und als Prozess, der sich zwischen einem pragmatischen, argumentativen Gebrauch, einer kreativer Verklärung aber auch einem reflektieren Ignorieren schwanken kann, um ein möglichst kongruentes Bild vom Mittelalter zu vermitteln. Diese stets neue Positionsbestimmmung gegenüber einer fremden Epoche wird von sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst und kann selbst zum Erinnerungsproblem werden. Nicht nur was, sondern nach welchen Erinnerungsstrategien bestimmte Ereignisse, Epochen, Personen und Institutionen des Mittelalters kontextualisiert werden, sagt oft mehr über die Zeit- und Standortgebundenheit der Urheber und Vermittler und deren individuelle Geschichtsbilder als über die historischen Akteure selbst aus. Diese Selektionen mittelalterlicher Geschichte werden auf sehr unterschiedlichen Ebenen wirksam und reichen von der historiographischen und literarischen Schriftproduktion über Projektionen in Kunst und Musik bis hin zur medial breitenwirksamen Verarbeitung, etwa im Schulbuch und Film. Die Sektion fragt an ausgewählten Beispielen der Rezeption markanter Personen (der byzantinische Kaisers Phokas sowie der Staufer-Kaiser Friedrich II.), Epochen (das spanische Al-Andalus), Institutionen (Papsttum und Gegenpäpste) und Ereignissen (Schlacht von Legnano) der mittelalterlichen Geschichte vom Frühmittelalter bis zur Geschichtsschreibung im 21. Jahrhundert im europäischen Kontext nach den Motivationen, Strategien und jeweils aktuellen Zeitbedürfnissen derartiger Erinnerungsstrategien, aber auch nach der spezifischen Anfälligkeit gerade des Mittelalters für solche zum Teil über Jahrhunderte wirksamen selektiven Rezeptionen und Kreationen ahistorischer Geschichtsbilder als legitimierenden, autoritätsstiftenden Erklärungsmodell der jeweiligen Gegenwart.

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