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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Zensurpraxis in Polen und seinen Westgebieten

Referent/in: Jakub Tyszkiewicz (Breslau)

Abstract:
Die Machtübernahme in Polen durch die Kommunisten im Jahre 1944 bedeutete die Einführung der Präventivzensur nach sowjetischem Muster. Die rechtliche Grundlage für diese Politik war die Gründung des Hauptkontrollamts für Presse, Publikationen und Aufführungen im Juli 1946. Zu den Aufgaben dieser Behörde gehörte das Verhindern sogenannter schädlicher Inhalte und Handlungen. Die Zensur in Polen zielte bis 1989 darauf ab, die Legitimation der nach sowjetischen Muster geformten kommunistischen Herrschaft zu gewährleisten, indem ihre Entscheidungen in allen Sphären der Gesellschaft positiv dargestellt wurden und alle Äußerungen, die das existierende politische, wirtschaftliche und ideologische System hätten in Frage stellen können, zu Interventionen und Verboten führten.

Ähnliche Sanktionen galten auch für jegliche Kritik an den Beziehungen zur UdSSR und zu anderen „sozialistischen“ Ländern. Davon waren insbesondere unterschiedliche Darstellungen historischer Ereignisse tangiert, die auf die „brüderlichen“ Beziehungen zwischen diesen Ländern hätten einen Schatten werfen können. Jegliche Äußerung über den Massenmord von Katyń zog unausweichlich ein Verbot nach sich. Anders sanktionierte Verbote betrafen die Erwähnung des Verlustes der polnischen Ostgebiete [Kresy Wschodnie], die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion einverleibt worden waren, oder die Darstellung der II. polnischen Republik in den Jahren 1918-1939.

Das Zensuramt spürte nicht nur unerwünschten Inhalten nach, sondern versuchte Druck auf Journalisten, Schriftsteller und Künstler auszuüben, damit diese ihre Gedanken auf systemkonforme Art formulierten und schließlich der Selbstzensur erlagen. Der Zensor konnte verschiedene Rollen einnehmen: diskreter Aufseher, Berater, Staatsanwalt, Verifizierender und schließlich Koautor. Eine Missachtung der Zensurbestimmungen hatte ein Verbot von Meinungsäußerungen in den Medien der staatlich kontrollierten Öffentlichkeit zur Folge. Die Zensur hatte zudem großen Einfluss auf die Personalpolitik. So wurden leitende Positionen durch Mitglieder der kommunistischen Partei oder ihr nahestehende Personen besetzt.

Bis 1981 wurden Eingriffe der Zensur in Publikationen nicht vermerkt. Unter dem Druck der Gewerkschaft „Solidarność“ wurde das Zensurgesetz dahin gehend geändert, dass entfernte Textfragmente nun – wenn auch geschwärzt  –  gekennzeichnet werden mussten. Diese Möglichkeit nutzten vor allem katholische Zeitschriften, aber auch einige wissenschaftliche Verlage. Ein wichtiges Medium, um die Zensur zu umgehen, war in Polen ab Mitte der 1970er Jahre Untergrundpublikationen mit einer  zunehmend unabhängigen Verlagslandschaft. Ein besonderes Kapitel der Zensur war mit der Beschreibung der 1945 durch Polen übernommenen West- und Nordgebiete und deren deutscher Vergangenheit verbunden.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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