Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Verkürzung vs. Ausweitung

Referent/in: Paul Nolte (Berlin)

Abstract:
Für die Unterschichten waren im späten 19. Jahrhundert lange Arbeitszeiten soziale Realität und kulturelles Stigma zugleich, von dem sich die bürgerliche Lebensführung mit ihrer con­spicuous leisure abhob. Beschleunigt seit den 1970er Jahren haben sich Lebenszeitressour­cen jedoch verschoben, so dass sich das alte Muster nahezu umgekehrt hat. Einerseits er­kämpfte die Arbeiterbewegung kürzere Wochen- und Lebensarbeitszeiten, andererseits führ­ten Teilzeitarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Langzeitarbeitslosigkeit und vorzeitiger Ruhestand zu einer unfreiwilligen Ausweitung von „Freizeit“. Komplementär dazu ha­ben sich die Arbeitszeiten der Mittel- und Oberschichten nicht nur ausgeweitet, sondern vor allem zu einem kulturellen Prestigefaktor sozialer Rangordnung und Lebensführung entwi­ckelt. Der Vortrag argumentiert, dass soziale Ungleichheit auch in den postindustriellen Ge­sellschaften die Verfügbarkeit über Zeit bestimmt und Menschen je nachdem zu beschleunigtem oder entschleunigtem Leben zwingt. Es kann somit weder von einer generellen Beschleunigung noch von einer Standardisierung der Zeitregime gesprochen werden.

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