Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Schweizermachen als Frage von historischer Identität. Ein Beispiel vorgreifender Konfliktvermeidung

Referent/in: Béatrice Ziegler

Abstract:
Die aktuelle Entwicklung eines Staatsbürgerschaftstestes im schweizerischen Kanton Aargau stellt deren Urheber jenseits der Frage, ob historische Inhalte für die Staatsbürgerschaft überhaupt Relevanz besitzen, vor eine Reihe von Problemen.

Das Konzept einer Staatsbürgerschaftsprüfung, die auch Fragen zur Geschichte beinhalten soll, basiert auf der Annahme, dass die juristische Kategorie der Staatsangehörigkeit eine historische Dimension enthalte. Die Zugehörigkeit zum Staatsverband bedeute mithin, dass für (angehende) Staatsbürgerinnen und -bürger die Kenntnis gewisser historischer Sachverhalte unabdingbar sei. Diese Vorstellung lässt sich vorerst aus der herrschaftslegitimierenden und gesellschafts­homogenisierenden Funktion von Geschichte im Nationalstaat herleiten. Sie nimmt allerdings auf die Diversität der Personen, die etwa infolge von Zuwanderung nachträglich das Staatsbürgerrecht erwerben, keine Rücksicht; vielmehr bleibt deren bisherige (historische) Identität im Schatten. Dies wird hingenommen, solange davon auszugehen ist, dass Personen, die an einem Staat partizipieren wollen oder sollen, dies nur sinnvoll, effektiv bzw. zur Verfolgung eigener Wünsche und Zwecke tun können, wenn sie über gemeinsame historische Sinngebungs­elemente und Modi der kollektiven Identität verfügen. Die Aneignung der staatlich sanktionierten („nationalen“) Identität oder zumindest die Kenntnis ihrer zentralen Elemente im Prozess der Vorbereitung und Absolvierung eines Staatsbürgerschaftstestes sichert in dieser Lesart die Qualität der Partizipationsbefähigung. Der Staat versucht damit, möglichen (Identitäts-)Konflikten vorgreifend, die notwendige innere Kohärenz seines Verbandes zu gewährleisten.

Im Beitrag wird aus der Innensicht von Beteiligten dargelegt, welches Prozedere und welche Form von Testfragen der doppelten Anforderung genügen könnten, (zukünftige) Staatsangehörige in ihrer Diversität zu respektieren und zugleich den handlungsverbürgenden Zusammenhalt einer multiethnisch verfassten Gesellschaft herzustellen.

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