Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

"Mettre en valeur les aspects positifs de la colonisation". Das Konfliktpotenzial bei der Vermittlung des Themas Menschenhandel an deutschen und französischen Schulen im Vergleich

Referent/in: Joachim Cornelißen (Lyon)

Abstract:
Die Verabschiedung der Loi Taubira (Anerkennung des Sklavenhandels als Verbrechen gegen die Menschlichkeit) durch das französische Parlament 2001 enthielt die Verordnung, auch in den öffentlichen Schulen Frankreichs in angemessener Form im Unterricht aller Jahrgangsstufen auf das Thema traite négrière und Menschenhandel einzugehen. Lehrplanempfehlungen und Schulbuchsequenzen dazu folgten ab 2005. Zugleich entbrannte ein innenpolitischer Streit um den Wert politisch motivierter lois mémorielles. Besonders umstritten war der Passus von 2005, dass im Unterricht „die positive Rolle der französischen Präsenz in Übersee und besonders in Nordafrika“ zu würdigen sei.

Der Vortrag untersucht zunächst die neue pädagogische Qualität des Umgangs mit dem Thema Menschenhandel der Frühen Neuzeit anhand der inhaltlichen Umgestaltung einiger Räume im Musée d’Aquitaine in Bordeaux und des neuen Mémorial zur Traite in Nantes und geht dabei kurz auf die Möglichkeiten und Grenzen pädagogischer Begleitarbeit ein.

Das Thema Sklavenhandel hat in Frankreich nicht zuletzt durch den Gedenktag am 10. Mai jeden Jahres eine zunehmende Verankerung im öffentlichen Bewusstsein und im schulischen Bereich erlangt. Während die französischen Schulbücher dem Menschenhandel und seinen Triebkräften zwischen 6 und 12 Doppelseiten einräumen, ist in Deutschland ein entgegen gesetzter Trend zu beobachten. Die deutschen Lehrbuchgenerationen der 1970er bis 1990er Jahre behandelten zumindest den transatlantischen Dreieckshandel im Themenfeld „Europäisierung der Erde“ in annehmbarer Breite. Angesichts des Rückgangs weltgeschichtlicher Themen in deutschen Geschichtslehrplänen der letzten 15 Jahre verschwanden die Themen Menschenhandel, Sklaverei und deren Abschaffung nahezu völlig. Heute wird das Thema Menschenhandel eher in anderen Fächern (Sozialwissenschaften, Politik, Lesebücher Deutsch, Lehrwerke Englisch) zum Thema gemacht. Der Vortrag erörtert die möglichen Gründe.

Anzeigen