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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

"Mädchenhandel" oder selbstbestimmte periphere Mobilität? Österreichische Prostituierte im späten Osmanischen Reich

Referent/in: Malte Fuhrmann (Istanbul)

Abstract:
Der “Handel” mit österreichischen Prostituierten in Istanbul durchging zwei Phasen, wobei die erste eher 1856–1890 anzusetzen ist, die zweite im Anschluss bis zum Ersten Weltkrieg. In der ersten Phase wurde die Duldung dieser Praxis von den Konsulaten mit persönlichen Freiheiten inklusive der freien Sexualität sowie dem Aufrechterhalten der durch die Kapitulationen garantierten Sonderrechte für Ausländer gerechtfertigt, während der Osmanische Staat sie als Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Moral sowie Hygiene verurteilte. In der zweiten Phase drehte sich das Verhältnis um und die diplomatischen Vertretungen, einzelne ausländische Einwohner Istanbuls und die Aschkenazi-Gemeinde sahen die Prostituierten als einen “dunklen Fleck” für ihren Ruf und als Opfer eines “white slave trade”, während die osmanischen Behörden, mit einer spürbaren Schadenfreude am Imageverlust der Europäer, die Freiheitsrechte der Zuhälter und Prostituierten als eingebürgerte osmanische Untertanen beschützten.

Der Raum „Stadt“ nahm eine Funktion ein, weil sich der Handel auf den Stadtteil Galata und das angrenzede Pera konzentrierte, in dem es eine starke Präsenz europäischer Ausländer gab, darunter auch eine nennenswerte Gemeinde von Aschkenazi-Zuwanderern. Dieser Bezirk galt seit jeher als Ausnahmeort in dem ansonsten einer muslimischen Leitkultur unterstehenden Istanbul, da hier größere moralische Freiheiten galten. Die Umschlagplätze für den Menschenhandel und die billigeren Bordelle lagen in Hafennähe (Galata), während in der Oberstadt (Pera) die teuerere Prostitution rund um die großen Hotels und Botschaften stattfand. Körper werden dabei jedoch nicht dargestellt, da die Konsulatsakten andere Schwerpunkte, wie die Frage der Moral haben. Daher bleiben die Beschreibungen sehr unkörperlich.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Menschenhandel jungen Frauen in wirtschaftlich und sozial aussichtsloser Lage aus Galizien, der Bukowina und Südungarn eine ansonsten nicht erreichbare Mobilität und materielle Absicherung ermöglichte, sie jedoch andererseits Gefahren der Gewalt, Erpressung und gesundheitlichen Risiken aussetzte. Diese verschiedenen Aspekte werden im Votrag behandelt werden.

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