Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Kunststoffe in Konsumgütern - ein Erbe der NS-Wirtschaftspolitik?

Referent/in: Anne Sudrow (Potsdam)

Abstract:
Die Geschichte der Kunststoffe ist in der Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte vermeintlich gut erforscht. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, dass, je nach Definition, was „Kunststoffe“ seien, sowohl ihre wirtschaftliche Bedeutung, ihre technische Funktion und ihre Entwicklung im Ersten Weltkrieg und in der NS-Zeit von Historikern sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. Selbst die Frage, ob ihre Entwicklung überhaupt einen spezifischen Lösungsansatz für das Problem der Ressourcenknappheit in den beiden Weltkriegen und ein Phänomen der Krisenbewältigung darstellt, ist umstritten. Unternehmenshistorische Studien verneinten dies meist. Technik- und wissenschaftshistorische Ansätze interpretierten die chemische Hochdrucksynthese als deutschen Technologie-„Pfad“ seit dem Ersten Weltkrieg und gar als nationales Innovationsmodell par excellence im 20. Jahrhundert. Der „Beginn des Kunststoffzeitalters“ wird jedoch, in einem gewissen Widerspruch hierzu, immer noch meist auf die 1950er Jahre datiert.

Dieser Beitrag plädiert dafür, den Ersten Weltkrieg als Inkubationszeit und bereits die Zeit von Mitte der 1930er bis Mitte der 1940er Jahre als erste Blütezeit der Kunststoffe zu werten, die in Deutschland maßgeblich durch die NS-Wirtschaftspolitik in die Wege geleitet wurde und im britisch-deutschen Vergleich als deutsche Besonderheit erkennbar wird. Zweitens sollen hier am Beispiel der Kunststoffe in Konsumgütern bei der historischen Einordnung der „Ersatzstoffe“ auch die Nutzer und Verbraucher von Fertigprodukten aus den neuen Werkstoffen in deren historische Bewertung einbezogen werden. Die „Qualität“ der Produkte erweist sich dabei als zentrales, gesellschaftlich umkämpftes Feld.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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