Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

"ihn vertrosstetermassen zu frescobaldi abgehen zu lassen". Überregionale Karrieren europäischer Hofmusiker

Referent/in: Gesa zur Nieden (Mainz)

Abstract:
Das Humankapital von Musikern im Europa der Frühen Neuzeit liegt in Anlehnung an die Kulturgeschichte des Politischen sowie auch an die Sozialgeschichte der Musik in seinen verschiedenen Kommunikationspotentialen begründet. Über regionale Grenzen hinaus berühmte Musiker und Komponisten dienten bei Hofe nicht nur mit ihrer Kunst der symbolischen Repräsentation im Rahmen einer "conspicious consumption", sondern sie waren oft auch administrativ und politisch in das Hofleben eingebunden. Diese Spannweite zwischen lokalem Status (samt den damit zusammenhängenden Aufgaben z.B. als Kammerdiener) und einem überregionalen Ruf als Musiker kulminierte regelmäßig in Ausbildungsreisen nach Italien oder Frankreich, wo die Musiker in einigen Fällen zugleich in diplomatischer Mission tätig waren. Auch aus Sicht der Musiker war es vorteilhaft, den lokalen Status mit einer internationalen Ausbildung zu verknüpfen – so nachzuvollziehen am Beispiel des zwanzigjährigen Johann Jakob Froberger, der seinen Dienstherrn Kaiser Ferdinand III. 1637 zum zweiten Mal darum bat, ihn zwecks seiner weiteren Ausbildung nach Italien zu Frescobaldi reisen zu lassen.

Im Vortrag soll anhand unterschiedlicher Fallbeispiele reisender Musiker nachvollzogen werden, welchen Stellenwert eine internationale Ausbildung, insbesondere in Frankreich und Italien als musikkulturelle Räume mit Vorbildcharakter, an den deutschsprachigen Höfen des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts hatte. Neben der Konkurrenz zwischen den Höfen sind im musikgeschichtlichen Bereich dabei vor allem Fragen des kulturellen Austausches relevant, da sich die in Italien entwickelte Gattung Oper ab 1650 europaweit verbreitet hatte. An der Notwendigkeit einer Ausbildungsreise in die Ursprungsländer der Oper bzw. der tragédie lyrique und der Unterstützung, die Musiker an Höfen des deutschsprachigen Raums dafür erhielten, lässt sich auch der musiktheatralische Konkurrenzkampf näher beschreiben. Denn durch das Streben bzw. Nicht-Streben nach Authentizität kultureller Artefakte zur symbolischen Repräsentation kann man Unterschieden zwischen den Definitionen des Humankapitals durch die Musiker und ihre Dienstherren auf die Spur kommen.

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