Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Geräuschlose Krise? Das Problem der Rüstungsfinanzierung im Nationalsozialismus, 1935-1945

Referent/in: Adam Tooze

Abstract:
Die Finanzierung der Rüstung stellte das nationalsozialistische Regime vor fundamentalen Problemen der Ressourcenmobilisierung und -verteilung. Der Markt für öffentliche Schulden ist, wie wir in letzter Zeit in Erfahrung bringen, ein hochpolitisches Forum. Die Forschung neigte bisher zu der Annahme dass das NS-Regime sich vor einem Gang an den Markt scheute. Mittels der „geräuschlosen Finanzierung” umging das Regime das hochpolitische Problem der Geldbeschaffung auf dem öffentlichen Kapitalmarkt. Neuere Forschungen zur Geschichte des Reichsfinanzministeriums legen ein komplexeres Bild offen. Das NS Regime versuchte zwischen 1935 und 1938 sehr gezielt die Kreditwürdigkeit des deutschen Reiches wiederherzustellen. Im Rahmen des Anschlusses und auch angesichts der Kriegsgefahr 1938 gelang es riesige Geldmittel in Form von Anleihen zu beschaffen. Die Manipulation des Kapitalmarkts war die Voraussetzung einer komplexen Politik der Umverteilung der nationalen Ersparnisse. Auf Grund von Akten des Ministeriums, der Reichsbank und der Großbanken können wir die Umrisse eines umfassenden Netzwerks der kollektiven Ressourcenmobilisierung erkennen, dessen Zweck es war, die Vergebung der Anleihen zu einem Erfolg zu machen. Von einer Selbstmobilisierung des unternehmerischen und großbürgerlichen Vermögens zu sprechen, ist nicht übertrieben. Diese quasi-marktbasierte Mobilisierung erreichte im November 1938 ihre Grenzen und wurde danach durch eine Politik der weit gefächerten institutionalisierten Kapitalmobilisierung ersetzt. Dieses System war „geräuschlos” nur in dem Sinne, dass es sich nicht mehr unter Marktgeschrei vollzog und außerdem tadellose funktionierte. Von einer Verschleierung oder einer Entpolitisierung der Geldbeschaffung kann keine Rede sein. Das Regime forderte die Volksgenossen ganz explizit als patriotische Subjekte auf, an der makroökonomischen Umverteilung mitzuwirken und als Haushalte dafür Verantwortung zu übernehmen, dass die von der Regierung verordnete Kriegsproduktion tatsächlich realisiert werden konnte. Erst 1944 zerbrach dieses System, das für die Funktion der Kriegswirtschaft lebenswichtig war.

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