Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Gemeinsam genutzte Ressourcen von Christen und Juden - eine Chance zur Integration?

Referent/in: Sabine Ullmann (Eichstätt)

Abstract:
„Mit der gemaindt gleich andern gerichtbaren Vnderthanen zueheben und zuelegen“ – so umschreibt eine Ordnung aus Schwaben aus dem Jahre 1655 die Rechte und Pflichten der ansässigen Judenschaft gegenüber der Dorfgemeinde. Danach hatten die Juden nicht nur ihren Teil zu den Gemeindelasten beizutragen, sondern partizipierten auf der Grundlage ihres Hausbesitzes auch an den vorhandenen Gemeindegütern. Im frühneuzeitlichen Landjudentum waren Juden und Christen so vielerorts gezwungen, die dörfliche Allmende als gemeinsame Ressource zu nutzen. Neben der Zuteilung an Holz aus den Gemeindeanteilen war besonders der Zugang zur Viehweide eine wichtige Voraussetzung für den jüdischen Viehhandel.

Der Vortrag fokussiert die dadurch in Gang gesetzten Austauschprozesse zwischen Juden und Christen und fragt nach einem längerfristigen historischen Wandel im Verhältnis der beiden Gruppen zueinander. Die Strategien und Argumente im Kampf um den konkurrierenden Zugriff auf diese Ressourcen zielten von jüdischer Seite aus auf einen angemessenen, möglichst „gleichberechtigten“ Zugang, während sich die christliche Dorfbevölkerung in ihrem Selbstverständnis als alleinige Inhaberin der kommunalen Rechte sah. Unter dem Einfluss der Herrschaftsträger entstanden besonders in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert zahlreiche Vertragswerke zwischen den Ressourcenkonkurrenten, mit denen jeweils lokal-situative Lösungsansätze im Sinne einer Konfliktregulierung gefunden wurden. Insofern konnte die gemeinsame christlich-jüdische Ressourcennutzung in den ländlichen Gesellschaften bei einer entsprechend erfolgreichen Verarbeitung der aufgetretenen Konflikte auch eine integrative Wirkung entfalten.

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