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49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Der Blick zurück: "Europa" in den Augen europäischer Migranten in den USA

Referent/in: Jan Logemann (Washington)

Abstract:
Bei  historischen Außenansichten auf Europa spielte neben dem (post)kolonialen auch der transatlantische Blick eine zentrale Rolle. Dabei gerieten europäisch-amerikanischen Gemeinsamkeiten ebenso wie transatlantische Differenzen in den Blick und verkomplizierten das Bild eines globalen Westens. In meinem Beitrag soll am Beispiel europäischer Migranten in den USA der transatlantische Blick auf Europa im zwanzigsten Jahrhundert exemplarisch verhandelt werden.

Europäische Migranten betonten immer wieder die Kontraste zwischen beiden Kontinenten und trugen zu einem Diskurs über europäische Besonderheiten bei. Gerade den Emigranten der 1940er und 40er Jahre erschien Europa aus der Perspektive des amerikanischen Exils oft als eine Landesgrenzen transzendierende Einheit. Dabei konnten sie an bestehende amerikanische Diskurse über das Einwanderungsland als „melting pot“ anknüpfen, in dem verschiedene nationale Traditionen miteinander verschmolzen. Der Begriff „European-American“ sollte die Grenzen zwischen bis dahin oft sehr separaten Immigranten-Milieus überbrücken. Statt völliger Assimilierung in die amerikanische Aufnahmegesellschaft, blieb eine Wahrnehmung von den Besonderheiten Europas gegenüber den USA jedoch oft prominent.

Ein gemeinsames europäisches Bewusstsein unter europäischen Einwanderern in den USA hatte jedoch auch Grenzen. Nationale Bindungen gingen nie völlig verloren und verstärkenden sich in den sogenannten „ethnic revials“ der 1960er und ‘70er zum Teil noch. Europa als gemeinsamer Bezugspunkt war gerade bei Arbeitsmigranten deutlich weniger prominent als bei intellektuellen und professionellen Eliten. Auch für letztere gab es oft alternative Selbstverständnisse, etwa als Kosmopoliten, oder – im Falle vieler EmigrantInnen – als „Jewish Americans.“ Im Zeitalter des Kalten Krieges verstanden sich viele zudem dezidiert als „Atlantiker“ und betonten  als Netzwerker im transatlantischen Brückenbau gemeinsame „westliche“ Werte. Dennoch waren die transatlantischen Austauschprozesse der Nachkriegszeit in verschiedensten Bereichen auch geprägt von der Verhandlung europäisch, amerikanischer Gegensätze. Hier spielten europäische Migranten oft eine zentrale Übersetzungsfunktion und  trugen so signifikant zu Debatten dazu bei, was „Europa“ im zwanzigsten Jahrhundert ausmache.

Kategorie: Neuere/Neueste Geschichte

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