Logo des 49. Historikertags 2012 Ressourcen und Konflikte

49. Deutscher Historikertag 2012: Ressourcen - Konflikte

Das verbotene Gesetz. Wie Christen im Mittelalter versucht haben, die Übersetzung und Lektüre des Koran zu verhindern

Referent/in: Matthias M. Tischler

Abstract:
Noch in den jüngsten Publikationen zu christlich-muslimischen Austauschprozessen im Mittelalter wird ein ausnehmend positives Bild von der angeblich recht weit verbreiteten Lektüre des arabischen und lateinischen Koran gezeichnet: Diese Einschätzung verdankt sich der postkolonialen Debatte zu globalen wie lokalen Grenzüberschreitungen, die stets gelungenen kulturellen und religiösen Transfer- und Transformationsprozessen das Wort redet und hierbei leicht die zahlreichen Fälle der Be- und Verhinderung oder des Abbruchs von solchen Prozessen aus den Augen zu verlieren droht. Offenkundig sind die bisherigen Untersuchungen zu sehr an den erhaltenen Koran-Handschriften orientiert, während das Rezeptionsprofil der arabischen wie lateinischen Koran-Überlieferung im Spiegel der Bibliothekskataloge und der Verarbeitung in der christlichen Islamliteratur des Hoch- und Spätmittelalters noch zu wenig Beachtung gefunden hat. Nimmt man in dieser Perspektive aber das Schicksal der ältesten vollständigen Koran-Übersetzungen ins Lateinische, veranlaßt durch Petrus Venerabilis (1142/1143), Rodrigo Jiménez de Rada (1209/1210) und Juan de Segovia (1456), in den Blick, dann wird nicht nur die zunächst oder generell recht schmale Überlieferung lateinischer Koran-Übersetzungen des Hoch- und Spätmittelalters deutlich, sondern es werden auch zunehmend Indizien für die gezielte und systematische Behinderung oder Unterdrückung der Übertragung und Lektüre des Koran zutage gefördert. Dieses Panorama findet seine Abrundung in den oft nur punktuell bezeugten, aber fast nie erhaltenen volkssprachlichen Übersetzungen des zentralen Buchs der Muslime, die wie alle lateinischen Übertragungen dem transkulturellen und transreligiösen Passagenraum der Iberischen Halbinsel angehören.

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