Baptismus Barbarorum. Christliche Initiation in der Neuen Welt
Referent/in: Michael SievernichAbstract:
Die Conquista der Neuen Welt ging mit einer Missionierung Hispanoamerikas einher, die im Zeichen des königlichen Patronats von mobilen, motivierten und humanistisch gebildeten Ordensleuten, allen voran den endzeitlich gestimmten Mendikanten des seraphischen Ordens getragen wurde. Eine entscheidende Rolle für den religiösen Wandel spielte dabei das sakramentale Ritual der unwiederholbaren Taufe, dem - idealiter - eine freie Konversion und ein liminaler Prozess (Katechumenat) voranzugehen hatte. Durch die Taufe, die zur Inklusion des kulturell und religiös Anderen beitrug, erhielt das Individuum unabhängig von Ethnie, Sprache und Geschlecht einen unverlierbaren neuen Status, mit dem - kontrovers diskutierte - Rechte und Pflichten verbunden waren. In systematisierender Form skizziert der Vortrag die Begegnung mit der indianischen Welt, die dem Prozess der Taufe ein eigentümliches Gepräge verlieh. Dazu gehörte die im Vergleich mit Europa neue Situation der Taufe Erwachsener und die entsprechende präbaptismale Instruktion, die auf Glaubenswissen und Lebensführung abzielte. Überdies sind sowohl Streitpunkte um die Voraussetzungen für die Spendung der Taufe zu reflektieren als auch Kontroversen um die postbatismalen Rechte der Indios. Im fremden Kontext der Neuen Welt mit ihrem Urwald von Sprachen erforderte dies einerseits eine kulturelle und sprachliche “Übersetzung” und andererseits eine Abgrenzung von ähnlichen Initiationsritualen der altamerikanischen Völker. Mit den vielfältigen Fragen zur Taufe im neuweltlichen Kontext befassten sich zahlreiche zeitgenössischen Publikationen unterschiedlicher literarischer Gattungen, welche die Bedeutung der Taufe als Inklusionsritual widerspiegeln und aus mehreren Perspektiven beleuchten. Zu diesen Quellen zählen auf der narrativen Ebene deskriptive Berichte über die Taufpraxis; auf der normativen Ebene präskriptive Vorgaben mexikanischer und peruanischer Provinzialsynoden, Kanonistik sowie liturgische Rollenbücher (Rituale); auf der theoretischen Ebene kontextuelle kanonistische Kasuistik und theologische Traktate. Die mit der Taufe einhergehenden Transformationsprozesse haben, wenn auch in kolonialen Zusammenhängen, zu Prozessen der Individualisierung und zur egalitären Anerkennung der Person und ihrer Rechte auch über den kirchlichen Bereich hinaus beigetragen.