Geschichte aus der Maschine. Potenziale, Herausforderungen und Gefahren der „Künstlichen Intelligenz“ für unser Fach

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Einleitung:
Torsten Hiltmann (Berlin)

Moderation:
Till Grallert (Berlin)

Podiumsdiskussion:
Gerd Graßhoff (Berlin)
Peter Haslinger (Gießen)
Torsten Hiltmann (Berlin)
Elena Kalogeropoulos (Berlin)
Wulf Kansteiner (Aarhus)
Sita Steckel (Frankfurt/Main)

 

Sogenannte 'Künstliche Intelligenz'(KI) bzw. Ansätze des maschinellen Lernens (ML), die mit statistischen Modellen auf der Basis gigantischer Datensätze sämtlichen Medienarten von Text über Bild zu Ton und Film täuschend echt in Form und Inhalt generieren können, sind spätestens seit der Veröffentlichung von OpenAIs Chatbot ChatGPT im November 2022 in aller Munde. Die Entwicklungen im Feld der angewandten KI sind so rasant, dass leicht der Eindruck entsteht, eine wie auch immer geartete Herrschaft der Maschinen stünde quasi vor der Tür. Die Bewertung der aktuellen Entwicklungen reicht dabei von unbegrenzter Begeisterung für die sich damit auftuenden neuen Möglichkeiten bis zu öffentlichkeitswirksam publizierten dystopischen Weltuntergangsszenarien. In der Wissenschaft werden vor allem die Herausforderungen der KI für Forschung und Lehre diskutiert. Allerdings ist sowohl in der gesellschaftlichen als auch in der fachlichen Diskussion häufig nicht klar, was KI momentan eigentlich wirklich leisten kann und was ein realistischer Erwartungshorizont für die Entwicklungen der nächsten drei bis fünf Jahre ist. Hier setzt die von der Task Area 5 "Data Culture" des NFDI-Konsortiums 4Memory organisierte Veranstaltung mit dem Ziel der Bestandsaufnahme und Aufklärung an.

Tatsächlich haben KI-basierte Methoden schon seit langem Eingang in die historische Forschung und deren Methodenapparat gefunden. Man denke nur an die automatische Handschriftenerkennung und OCR, deren Einsatz schon geradezu als normal gilt, aber auch an Verfahren wie Topic Modelling oder Name Entity Recognition, die zumindest schon breitere Verwendung im historischen Forschungsprozess finden.

Als mit digitaler und computationeller Geschichtswissenschaft befasste Kolleg:innen betrachten wir die mit generativen KIs einhergehenden Entwicklungen als einen singulären Schockmoment, der sämtliche Fundamente unseres Faches zur Disposition stellt. Zum einen wird die gesamte kulturelle Produktion menschlicher Gemeinschaften, so sie in irgendeiner Form digital vorliegt, für die Forschung auf eine ganz neue Art zugänglich. Zum anderen wird das Archiv dieser kulturellen Produktion mit einer unüberschaubaren Menge an absolut plausiblen, jedoch maschinell generierten multimedialen Daten überschwemmt, welche einen erheblichen Einfluss auf unsere Geschichtskultur nehmen können. Diese parallelen Entwicklungen von Geschichte(n) aus der Maschine stellen fundamental neue methodologische Anforderungen an die Geschichtswissenschaften.

Historiker:innen stehen vor der Herausforderung, die epistemologischen Implikationen der "neuen" Methoden zur Quellenerschließungen durch KI abschätzen zu können und zu bewerten, wie sie diese sinnvoll einsetzten können – von Computer Vision für die Erkennungen von Layouts, Symbolen und Strukturen in Bildern, über neue Methoden der Natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) und Modelle der semantischen Anreicherungen mit Normdaten, bis hin zur automatischen inhaltlichen Zusammenfassung einzelner Quellen und ganzer Quellenkorpora oder sogar deren direkten natürlichsprachlichen, dialogischen Befragung. Gleichzeitig ist es erforderlich, dass wir als Disziplin Antworten auf die großen gesellschaftlichen Herausforderung der KI im Umgang mit der Vergangenheit im Rahmen unserer Geschichtskultur finden, zumal die Widerlegung von Unwahrheiten um mindestens eine Größenordnung aufwendiger ist, als deren Erstellung und Verbreitung (Brandolinis Gesetz).

Die Veranstaltung wird zunächst einen Überblick und grundlegende Einblicke in diese neuen Technologien und deren Anwendungsfelder für die Geschichtswissenschaften bieten. Danach schließt sich einen Podiumsdiskussion an, bei der wir dann gemeinsam und im Austausch mit dem Publikum über Potenziale, Herausforderungen und Gefahren der 'Künstlichen Intelligenz' sowie deren geschichtskulturellen Konsequenzen besprechen werden.

 

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