„Volkstypen“ im Spannungsfeld von Kolonialismen und Nationalismen im 19. und 20. Jahrhundert
Abstract
„Volkstypen“ sind ein visuelles Ordnungsverfahren, das Menschen mit Fokus auf Kategorien wie Beruf, Ethnizität und Gender gruppierte. Mit den technischen Innovationen der Fotografie- und Drucktechnik seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelten sich neue Dynamiken in den Produktions- und Verbreitungsformen. Technische Innovationen garantierten nicht nur eine scheinbar „mechanische Objektivität“ (Daston/Galison), sondern auch die massenhafte Verbreitung der Typenfotografien in Druckwerken, "cartes des visites" und schließlich Postkarten.
Tendenziell sollten jedoch die "Volkstypen" typische Vertreter der jeweiligen Gruppe darstellen, sie wurden oft für einen breiten Markt erstellt und sie zeigen scheinbar spontan aufgenommene Alltagsszenen. De facto sind die Bilder jedoch stark inszeniert und manipuliert, sie stellen also fragile Fakten dar. Ihre Entstehung und Verwendung, so die zentrale These der Sektion, korrespondierte mit den epistemologischen Voraussetzungen imperialer, nationaler, kolonialer und regionaler Diskurse und Herrschaftsverhältnisse. Gleichzeitig frappiert, dass diese Darstellungen sich in Form und Ästhetik weltweit sehr stark ähneln; egal ob es sich etwa um koloniale oder nationale Kontexte handelt.
Die vorgeschlagene Sektion bringt Forschung zu verschiedenen regionalen Kontexten weltweit zusammen und legt von der Medialität her einen Fokus auf Fotografie. Sie möchte auch aktuelle Auseinandersetzungen mit diesen teils höchst problematischen Typendarstellungen aus künstlerischer und aktivistischer Sicht in den Blick nehmen. Sie widmet sich folgenden Fragen:
- Inwieweit beeinflussten ideologische Voraussetzungen die Verwendung der Bilder?
- Welche Unterschiede lassen sich im regionalen Vergleich ausmachen, wie dagegen ist die Ähnlichkeit der Typen einzuordnen?
- Wie zirkulierten die Typen, wie wurden sie rezipiert? Welche Widerstände gab es?
- Wie blicken wir heute auf die "Volkstypen"?
Der Beitrag skizziert, wie Typenfotografie als visueller Zeuge und Erfüllungsgehilfe der kolonialen Expansion diente, und zeigt anhand von Beispielen, wie ein wissenschaftlicher und künstlerischer Umgang mit diesen Fotografien aussehen kann. Typenfotografien dienten im kolonialen System als Kategorisierungshilfe, um rassenanthropologische Theorien zu untermauern. Diese Fotografien waren jedoch nicht einheitlich und wurden erst durch einen visuellen Rhythmus zum Beweismaterial. Das Bild des so genannten „Anderen“ wurde durch Wiederholungen geprägt. So konnte ein koloniales mediales System geschaffen und massenhaft verbreitet werden.
In den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert avancierten Postkarten zu zentralen Massenmedien in weiten Teilen Europas, auch in den multiethnischen Regionen des östlichen Europas. Zu den verbreiteten Motiven des preisgünstigen kleinformatigen Bildmediums gehörten Darstellungen von „Volkstypen“, die im Zeitalter des sich verstärkenden Nationalismus affirmative Selbstbilder oder abwertende Fremdbilder sein konnten. Der Vortrag beleuchtet vergleichend die Postkarteninszenierungen von ethnisierten Kollektiven um 1900 im Habsburgerreich, Russländischen Reich und Deutschem Kaiserreich, und bezieht die Akteur*innen hinter den Bildern, die Produzent*innen, mit ein.
Im spanischen Kolonialreich bezeichnete der Begriff Mestiz@ überwiegend Menschen „gemischter“ europäischer und indigener Abstammung. Der Vortrag zeichnet einige Entwicklungen der Anwendung und Rassifizierung des Begriffs Mestizen nach dem Ende des spanischen Imperiums im revolutionären Mexiko und den Philippinen unter US-Herrschaft nach. Betrachtet werden Fotografien, die aufgenommen wurden, um Theorien des sogenannten „wissenschaftlichen“ Rassismus anzuwenden und zu entwickeln, der Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit en vogue war. Für Mexiko stehen Abschlussarbeiten von Anthropologiestudenten des Nationalmuseums und auf den Philippinen Fotografien des Innenministers Dean Worcester im Mittelpunkt.
In der späten Habsburgermonarchie avancierte die Typenfotografie zu einem Instrument, um eine komplexe multikulturelle Landschaft visuell zu ordnen. Die ostmitteleuropäischen Nachfolgestaaten übernahmen diese Technik imperialer Herrschaft und füllten es mit neuen Bildern und entsprechenden Diskursen. Der Beitrag konzentriert sich auf die Huzulen, eine ostslawische Gruppe im Grenzraum der Polens, Rumäniens und Tschechoslowakei. Ich stelle die offiziellen fotografischen Narrative den Ansätzen der ukrainischen Nationalbewegung gegenüber und vertrete die Hypothese, dass Fotografien zur Instrumentalisierung ethnischer Gruppen in den spezifischen Herausforderungen der Zwischenkriegszeit dienten, indem sie unterschiedliche Zuschreibungen zu „bewahren“ oder zu modernisieren versuchten.
Every 8th of March, women fill Malabo’s streets, clothed with dresses cut from official cloth: el popó de la mujer. The fabric presents a medallion with a picture of a „typical woman“ from each alleged ethnic identity of the country. The 8th of March is one of the many festivals through which the regime of Teodoro Obiang performs and reaffirms its hegemony -a simulacre (Mbembe 2006). The paper reflects on the uses of folklore, types and customs to orchestrate a sense of belonging while thematising differences. The political and performative use of representations of types of ethnic women is not recent; it can be traced back to the Francoist colonial administration.