Frank Bösch Jan Eckel (Sektionsleitung)

Sanktionsregime: Entstehung, Praktiken und Wirkungen seit 1945

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Abstract

Sanktionen haben sich seit dem 20. Jahrhundert zunehmend zu einem Mittel entwickelt, um politischen Druck auf einzelne Staaten auszuüben. Das Panel fragt aus unterschiedlichen Perspektiven, auf welche Weise Sanktionsregime im Kalten Krieg und danach aufkamen, wie sie sich veränderten und welche Effekte sie jeweils hatten. Sanktionen werden im weiten Sinne als systematische Einschränkungen des ökonomischen, politischen oder kulturellen Austausches zwischen Staaten gefasst, um eine Veränderung des politischen Handelns durchzusetzen. An ihnen lässt sich somit der Wandel von internationalen Normen und Interaktionsformen ausmachen. Das Panel betrachtet die jeweiligen Sanktionsformen dabei nicht allein als außenpolitische Strategien, sondern ebenso als Ausdruck eines sich wandelnden innergesellschaftlichen Wertekanons. Gerade weil Sanktionen Folgen für alle Seiten haben, gehen sie mit gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen einher.

Das Panel behandelt Sanktionsregime aus der Perspektive von Nordamerika, West- und Osteuropa und bezieht unterschiedliche internationale Bündnisse und Organisationen ein. Während die Forschung bislang vor allem einzelne Boykott-Aktionen aus der Bevölkerung fokussierte (besonders gegen das Apartheidsregime in Südafrika), weitet dieses Panel die Perspektive. Über die beschlossenen Sanktionen hinaus werden deren Umsetzungen und ihr Ende betrachtet: Wie wurden sie praktiziert, umgangen und aufgeweicht? Das Panel untersucht, weshalb bestimmte Konstellationen Sanktionen nach sich zogen, während ähnliche Vorkommnisse in anderen Staaten eher folgenlos blieben. Besonders der sich wandelnde Einfluss von Medien, NGOs, politischen Allianzen oder auch der Menschrechtsfrage steht im Vordergrund. Zeithistorisch erforscht sind Sanktionen kaum. Während sozialwissenschaftliche Studien eher deren Wirkungslosigkeit oder gar eine Verfestigung von Autokratien durch diese betonen, differenziert das Panel diese Einschätzung aus zeithistorischer Perspektive.

Frank Bösch (Potsdam)
Begrüßung und Einführung
Jan Eckel (Freiburg)
Angst vor Sanktionen. Menschenrechtliche Strafpolitik in den 1970er und 1980er Jahren

Die Frage, ob und wie sich Sanktionen im Fall internationaler Menschenrechtsverletzungen einsetzen ließen und welche Folgen sie zeitigen würden, war in den 1970er und 1980er Jahren für alle Beteiligten neu. Der Vortrag untersucht am Umgang westlicher Staaten mit der chilenischen Militärdiktatur, wie menschenrechtliche Strafmaßnahmen die internationale Konfliktgeschichte beeinflussten. Er zeigt, dass sich diese Sanktionspolitik in einem Modus allseitiger Unsicherheit vollzog und für westliche Regierungen ebenso Probleme mit sich brachte wie für autoritäre Regime, wenn auch oftmals andere als die erwarteten.

 

Frank Bösch (Potsdam)
Die Pragmatiker: Bundesdeutsche Sanktionsbeteiligungen und -vermeidungen seit 1949

Die bundesdeutsche Beteiligung an Sanktionen war seit 1949 durch ihre starke Exportorientierung, das Erbe des Nationalsozialismus sowie durch die Einbindung in das westliche Bündnis und die deutsche Teilung geprägt. Archivgestützt wird anhand von Fallstudien gezeigt, wie sich die bundesdeutsche Politik mit Verweis auf diese Konstellation internationalen Sanktionsforderungen zu entziehen suchte. Zugleich wird verdeutlicht, wie seit den 1960er Jahren Migrant:innen aus Diktaturen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Journalist:innen und NGOs wie Amnesty International die Sanktionspraktiken beeinflussten. Sanktionsentscheidungen werden so als Ergebnis eines vielfältigen Aushandlungsprozesses greifbar.

Jutta Braun (Potsdam)
"The Games must go on“: Boykotte im internationalen Sport

Die „Wahlverwandtschaft“ von Olympia und autoritären Regimen ließ Sportereignisse immer wieder zur Bühne symbolischer Aktionen werden. Boykottaufrufe reichten vom „Völkerfest unter dem Hakenkreuz“ in Berlin 1936 bis hin zu Peking 2022. Als weithin gelungen gilt der Sportbann gegen Südafrika aus Protest gegen die Apartheid. Der Beitrag diskutiert die Reichweite und Wirksamkeit sportlicher Sanktionen in internationalen Krisen und ideologischen Konflikten. Zudem analysiert er die für Demokratien heikle Frage der „Autonomie“ des Sports und dessen Einbindung in die politische Staatsräson bei Sanktionsentscheidungen.

Jeronim Perović (Zürich)
Krisenresistenz. Sowjetische Reaktionen auf westliche Sanktionen im Rohstoffhandel

Trotz westlicher Embargopolitik und wiederholten Boykottversuchen ließ sich der zunehmende Energiefluss von Osten nach Westen im Kalten Krieg nicht unterbinden. Der Vortrag untersucht, wie die sowjetische Seite über den Ausbau der Handelsbeziehungen mit dem kapitalistischen Westen und namentlich die immer stärkere Abhängigkeit der Sowjetunion von Einkünften aus dem Öl- und Gasgeschäft reflektierte und auf westliche Sanktionen (namentlich das NATO-Röhrenembargo von 1962) bzw. Sanktionsversuche (etwa die Pipelinesanktionen Reagans von 1981/82) reagierte. Hierfür werden interne sowjetische Diskussionen als auch öffentliche Reaktionen analysiert.

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