Kirsten Bönker Jörn Happel (Sektionsleitung)

Nachrichten aus der „anderen“ Welt: Auslandskorrespondent:innen in der Zwischenkriegszeit und im Kalten Krieg, 1922-1991

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Abstract

 

Auslandskorrespondent:innen sind aus Zeitung, Radio und Fernsehen nicht wegzudenken. Seit dem 19. Jh. verstanden sie sich als eine spezifische Gruppe innerhalb des sich professionalisierenden Journalismus und entwickelten ein besonderes Berufsethos. Wie Korrespondent:innen Ereignisse in anderen Ländern deuteten und wie sie über Außenpolitik berichteten, gewann seit dem 19. Jh. mit der Medialisierung der öffentlichen Kommunikation und der internationalen Beziehungen zusehends an Bedeutung. Die Korrespondent:innen übermittelten Nachrichten und ‚Fakten’, sie konstruierten Medienereignisse, die in den nationalen und der europäisch-transnationalen Öffentlichkeit diskutiert wurden. Schon immer standen einige in Verdacht „Tatarennachrichten“ (Paul Scheffer) und erfundene Fakten anstelle seriös recherchierter Berichte zu verbreiten. In der nach der Russischen Revolution 1917 ideologisch gespaltenen Welt, nahmen die politisierenden Deutungskämpfe zwischen den
Korrespondent:innen zu. Lange bevor Historiker:innen sie analysieren, drückten sie Ereignissen, Strukturen und Prozessen ihren Stempel auf. Umso erstaunlicher ist es, dass ihre praktische Tätigkeit, ihre professionellen Netzwerke, die Beziehungen zwischen den Heimatredaktionen und den journalistischen (wo)men on the spot, berufliche Selbstbilder, politische und soziale Rollenzuschreibungen mediengeschichtlich erst seit kurzem in den Blick geraten ist.

Die Beiträge der Sektion werden die Praktiken, die Netzwerke und die Deutungskämpfe der Auslandskorrespondent:innen im kurzen 20. Jahrhundert untersuchen und damit neue Perspektiven auf journalistisches Arbeiten vor Ort liefern, die über eine Analyse ihrer Berichterstattung hinausgehen. Es geht um Netzwerkanalysen der Korrespondenten, die aufzeigen, wie „Fakten“ entstehen und verbreitet werden. Damit liefern wir mediengeschichtliche Zugänge zu konkreten Interaktionen auf den verflochtenen Feldern von (Außen-)Politik, Journalismus, Diplomatie und der Zivilgesellschaft

Jan-Hinnerk Antons (Hamburg)
Moderation
Caroline Breitfelder (Hamburg)
Memoiren, Meinungen, Macht: Auslandskorrespondent:innen. Paul Scheffer

Auslandskorrespondent:innen sind Vermittler:innen in Ausnahmesituationen. Zwei Länder, zwei Kulturen, zwei Sprachen, multiple Erwartungen. Von essentieller Bedeutung ist die Rolle, die Auslandskorrespondenten sich schaffen, mit der sie versuchen, den verschiedenen Herausforderungen ihres Berufs gerecht zu werden. Wie Paul Scheffer, Auslandskorrespondent des Berliner Tageblatts, seine Rolle als Korrespondent und Journalist in Moskau in den 1920er Jahren (neu) definierte, sich den Herausforderungen stellte, wie er versuchte, mehr als „nur“ Berichterstatter zu sein, und wie er damit scheiterte, wird Thema dieses Vortrags sein.

Jörn Happel (Hamburg)
Den Osten inszenieren. Fotoberichte aus der Sowjetunion der 1930er Jahre

Nach Mitternacht surrten die Apparate – die Journalisten durften Aufnahmen machen. Stalin und Ribbentrop schüttelten sich die Hände. Was die Presse nicht wusste, die Aufteilung Osteuropas war gerade beschlossen worden. Die Gläser wurden gereicht. Auf der Feier tranken Stalin und Molotov 1939 wiederholt „auf den Nichtangriffspakt, die neue Ära der deutsch-sowjetischen Beziehungen und auf das deutsche Volk“. – Die Szenerie hielt Gisela Pörzgen-Döhrn mit eindrucksvollen Fotografien zufriedener Despoten fest. Der Vortrag analysiert, wie internationale Zeitungsfotograf:innen die Sowjetunion in den 1930er Jahren inszenierten; eine Inszenierung, die während des Nichtangriffspakts zu einem Ende kam.

Sune Bechmann Pedersen (Stockholm)
Übertreib das Ganze doch nicht, wir sind hier doch nicht im Krieg

What did it mean to be a professional foreign correspondent in a socialist media system? The politicization of East German foreign news reporting has been thoroughly studied, but how did correspondents navigate and negotiate the ideals of professional journalism in their everyday practice? Based on the understudied files of the Deutsches Rundfunkarchiv, this paper explores the conflicts over journalistic ideals as they emerge through the routines of Aktuelle Kamera workers abroad. It thus points to the multiple and sometime conflicting roles juggled by foreign correspondents working for socialist media.

Kirsten Bönker (Köln)
Brückenbauer:innen und Informationskrieger:innen: Journalistische Deutungskämpfe im Kalten Krieg

»Convergence: Are they becoming like us?«, fragte Hedrick Smith 1976 in seinem Bestseller »The Russians«. Die Fragen, ob die sowjetische Gesellschaft der westlichen ähnlicher werden würde, wie überhaupt die Menschen auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs lebten, waren im Kontext des Systemwettbewerbs hochpolitisch. Die Deutungsangebote der Korrespondent:innen über die sowjetische Gesellschaft erlangten in den öffentlichen Diskussionen auch deswegen ein starkes Gewicht, weil der Kalte Krieg auch eine mediale Auseinandersetzung war. Der Beitrag vergleicht die Strategien, mit denen amerikanische, deutsche und französische Korrespondent:innen den Kalten Krieg konstruierten und politisierten.

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