Susanne Popp Barbara Mittler Steffen Sammler (Sektionsleitung)

Globalhistorische Perspektiven in den Geschichtsunterricht! Zwischen Fachwissenschaft, Geschichtsdidaktik und Unterrichtspraxis

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Abstract

Deutsche Geschichtslehrpläne sind unverändert nationalhistorisch-europazentriert strukturiert. Es fehlt ihnen an verbindlicher Ausrichtung auf jene historische Kompetenzen, die unentbehrlich sind für die geschichtliche Auseinandersetzung mit den vielschichtigen Globalisierungsdynamiken und globalen Krisen der Gegenwart sowie mit deren Auswirkungen auf die Erfahrungswelten der Schüler:innen. Die anstehende Fortentwicklung der Lehrpläne verlangt deswegen eine intensive Zusammenarbeit von Fachwissenschaften, Geschichtsdidaktik und Unterrichtsexpert:innen, um die bisher fehlenden weltregional- und globalgeschichtlichen Inhalte in den Lehrplänen und in der Lehrer:innen-Aus- und fortbildung problemgerecht zu verankern. In diesem Kontext wendet sich diese Sektion einer zentralen, doch bislang wenig beachteten Ebene des angestrebten Reformprozesses zu: den Sichtweisen und Erfahrungen von zentralen Akteur:innen im Prozess der Entwicklung von globalegeschichtlicher Perspektiven zu entwickeln. Um die verschiedenen Positionen in Austausch zu bringen, diskutieren einschlägige Expert:innen folgende zentrale Fragen:

a) Vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen einschlägige Fachhistoriker:innen bei der Erarbeitung von weltregional- und globalgeschichtlichen Beiträgen zur Unterrichtspraxis?

b) Was bedeutet es für Geschichtslehrkräfte mit einer traditionellen Ausbildung, sich globalgeschichtliche Perspektiven für den Unterricht zu implementieren?

c) Gibt es praxistaugliche geschichtsdidaktische Konzepte für die Implementation globalgeschichtlicher Perspektiven in nationalhistorische Geschichtslehrpläne?

d) Wie können Geschichtslehrpläne so umgestaltet werden, dass sie den oben genannten Anforderungen entsprechen?

Susanne Popp (Augsburg) Barbara Mittler (Heidelberg) Steffen Sammler (Braunschweig)
Einführung
Silke Hensel (Köln)
"Die „Eroberung Amerikas“ und die Herausforderungen einer multiperspektivischen Sicht im Unterricht

Die Conquista ist wohl eines der wenigen globalhistorischen Themen, die noch in den Lehrplänen für Geschichte enthalten sind. Allerdings finden sich hier immer wieder alte Klischees über die amerikanischen Bevölkerungen und die Gründe für den Sieg der Spanier wieder. Die Heterogenität der betroffenen Gesellschaften ist ebenso wenig Thema wie ihre Komplexität. In der Forschung werden mittlerweile auf der Grundlage von Quellen aus indigener Feder differenzierte Perspektiven auf die historischen Entwicklungen geworfen, die in die Etablierung kolonialer Gesellschaften mit der spanischen Krone an der Spitze führten. Der Akteursstatus von Indigenen, ihre unterschiedlichen Perspektiven, Interessen und Handlungsweisen werden aber in den Schulbüchern zum Thema nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser Befund und mögliche Wege, dies zu ändern, stehen im Mittelpunkt des Beitrags.

Barbara Mittler (Heidelberg)
Wissensasymmetrien zwischen Fachwissenschaft und Unterrichtspraxis: Das Beispiel chinesische Geschichte

China wird in immer mehr Curricula als Thema des Geschichtsunterrichts genannt und in über sechzig aktuell verwendeten deutschen Schulbüchern finden sich Materialien zur chinesischen Geschichte. Gleichzeitig ist das Thema auch eine Herausforderung für Lehrer:innen, da es in ihrer Ausbildung kaum eine Rolle spielt(e). Die China-Schul-Akademie an der Universität Heidelberg bietet hier Unterstützung: Durch frei zugängliche Lernmaterialien, Online-Fortbildungen und fachliche Beratung bei der Schulbucherstellung. Einige dabei deutlich werdende Herausforderungen – wie etwa unterschiedliche Wissensbestände und Herangehensweisen – werden erläutert und Lösungsansätze vorgestellt.

Philipp Marti (Aarau) Dominic Studer (Aarau) Simon Affolter (Aarau)
Globalgeschichtliche Perspektiven im Schweizer Geschichtsunterricht: Empirische Ergebnisse eines geschichtsdidaktischen Forschungs- und Entwicklungsprojekts

Für ein Geschichtslernen, das zur Orientierung in einer globalisierten und vielfältigen Lebenswelt beitragen soll, bietet sich eine unterrichtliche Umsetzung des Ansatzes der Globalgeschichte an. Im Beitrag werden Ergebnisse aus einem partizipativen Schweizer Forschungs- und Entwicklungsprojekt präsentiert, in welchem gymnasiale Geschichtslehrpersonen globalgeschichtlich perspektivierte Unterrichtseinheiten entwickelten und in ihrem Unterricht durchführten. Die empirische Grundlage bilden Interviews mit Lehrpersonen und Lernenden im Anschluss an die Unterrichtseinheiten. Die Auswertung der Daten bietet Hinweise auf didaktische Potentiale und Herausforderungen globalgeschichtlicher Perspektiven.

Jochen Gollhammer (Freilassing)
Plädoyer für die Stärkung globalhistorischer Perspektiven im Geschichtsunterricht

Eine globale Perspektive im Geschichtsunterricht kann es Schüler:innen ermöglichen, die Verbindungen zwischen Ereignissen in verschiedenen Regionen der Welt besser einzuordnen und deren Auswirkungen auf einer globaleren Skala zu betrachten. Transnationale Perspektiven können auch helfen, die Diversität und die Wechselwirkungen von Kulturen und Gesellschaften zu verstehen. Sie geben Schüler:innen die Möglichkeit, die Welt als ein vernetztes System zu begreifen und können sie dazu befähigen, komplexe globale Herausforderungen, die rund um sie ablaufen, besser zu verstehen und anzugehen.

Dennis Röder (Stade) Jan Storre (Lüneburg)
Globalhistorische Perspektiven im Referendariat!? Überlegungen eines Fachleiters und eines Seminarlehrers Geschichte aus Niedersachsen

Der Vortrag erörtert das Potential für welt- und globalgeschichtliche Perspektiven in der Phase des Referendariats (2. Phase der Lehrer:innenbildung) und thematisiert, wie diese im Rahmen der Ausbildung auf Basis der niedersächsischen Lehrpläne in den Geschichtsunterricht integriert werden können. Die Beispiele orientieren sich an klassischen Lehrplan-Themen (z. B. „Leben im Mittelalter: Klöster, Burgen, Ritter, Städte“ oder „Zeitalter des Imperialismus und Erster Weltkrieg“), integrieren aber nun auch welt- und globalgeschichtliche Fragen, die in der Didaktisierung von Inhalten bisher zu wenig berücksichtigt wurden, obgleich sie sich gut z. B. mit dem Konzept der „Schlüsselprobleme“ und der langfristig angelegten Kompetenzorientierung verbinden lassen.

Susanne Popp (Augsburg) Philipp Bernhard (Augsburg)
Verankerung von welt- und globalgeschichtlichen Themen in den deutschen Geschichtslehrplänen - ein curriculares Konzept zur Diskussion

Der Beitrag diskutiert Konzepte und Optionen zur strukturellen Verankerung von globalgeschichtlichen Perspektiven in deutschen Geschichtslehrplänen. Denn ohne verbindliche curriculare Festschreibung sind die Chancen zu gering, dass globalgeschichtliche Perspektiven auf den Ebenen historischer Zugänge, Inhalte, Methoden und Kompetenzen im Geschichtsunterricht, den Lehrwerken sowie der Ausbildung und Fortbildung von Geschichtslehrer:innen die Beachtung finden, wie sie das Ziel der historischen Orientierungskompetenz erfordert. Wer jedoch neue Lehrplan-Inhalte fordert, muss auch angeben können, wie diese zu integrieren seien, ohne die Fülle der fachlichen und überfachlichen Aufgaben dieses Faches zusätzlich zu erhöhen. Diese Herausforderung greift der Vortrag auf, indem er Vorschläge zur strukturellen Integration globalgeschichtlicher Perspektiven in Geschichtslehrpläne diskutiert.

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