Susanne Schattenberg (Sektionsleitung)

Geschichtsarbeit in den Fängen von Putins Diktatur. Memorials Kampf für historische Aufklärung in Russland

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Abstract

Im Dezember 2021 schloss ein Gericht Memorial International und Memorial Perm und erklärte deren Aufarbeitung des Stalinismus zur „Verleumdung der Sowjetunion“. Als am 24. Februar 2022 Putin die Ukraine überfiel, flohen viele Memorial-Mitglieder ins Ausland, weil sie ihm nicht mehr nur allgemein ein Dorn im Auge sind, sondern sich angesichts der Verschärfung der Zensur in akuter Gefahr befinden, für ihre Aufklärung sowohl zu Menschenrechten als auch zur historischen Faktenlage verhaftet zu werden. Für diese Arbeit erhielten sie im Herbst 2022 den Friedensnobelpreis.

Auf diesem Podium sollen führende Memorial-Vertreter*innen aus Moskau, Petersburg und Perm zu Wort kommen. In drei Blöcken werden folgende Themen diskutieret:

Welche historische Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit hat Memorial seit 1988 in Russland geleistet? Was gab den Anstoß zur Gründung und wie reagierte der damals noch sowjetische Staat darauf? Wie unterschied sich diese Arbeit von der offiziellen Geschichtspolitik unter Gorbatschow, Jelzin und Putin? Wie veränderte sich die Haltung des Staates im Laufe der letzten Jahrzehnte? Wie nahm die Bevölkerung die Angebote von Memorial auf, was konnte bewirkt werden? Warum war und ist Memorial so gefährlich für Putin, dass es zum Verbot kam? In welchem Zusammenhang stehen das Verbot und der Krieg? Warum spielt das Geschichtsbild, die unterbliebene kollektive Aufarbeitung und die Faktenverdrehungen eine solch große Rolle für Putin und seine Herrschaft? Welche heutigen Diskurse, Propaganda-Parolen und Kriegsrechtfertigungen bauen auf der Geschichtsverdrehung auf? Welche Chancen hat Memorial, in der Diaspora weiterzuarbeiten und wieder eine Stimme zu werden, die auch Russland erreicht? Welche Strategien verfolgt Memorial derzeit, um sich im Ausland zu etablieren oder auch in Russland weiterzuarbeiten? Welche weiteren Geschichtsfabrikationen sind von Putin in Zukunft zu erwarten, um ggf. weitere Aggressionen zu rechtfertigen? Welche Chancen hat eine politisch unbeeinflusste, angstfreie Arbeit an der Geschichte in Russland in Zukunft?
Susanne Schattenberg (Bremen)
Moderation
Irina Scherbakowa (Moskau/Jena)
Aleksej Kamenskich (Perm/Bremen)
Nikita Lomakin (Moskau/Jena)
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