Jan Simon Karstens Gauri Parasher (Sektionsleitung)

Das Wissen der Anderen. Außereuropäische Akteure und Wissensspeicher im Europa der Frühen Neuzeit

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Abstract

Die Vorträge der Sektion gehen der Frage nach, wie Angehörige europäischer Gesellschaften in der Frühen Neuzeit Zugang zu Wissensträger:innen und Wissensspeichern transozeanischer Herkunft erhielten und das durch jene verfügbare Wissen rezipierten.

Hierfür präsentieren die Beiträger:innen Fallstudien, die entweder Wissensspeicher, beispielsweise in Form von Karten und offiziellen Dokumenten, oder aber den Aufenthalt von Wissensträger:innen in Europa fokussieren. Bezüglich der Artefakte, die Wissen speicherten, gilt dem Entstehungskontext und der Relation von außereuropäisch-indigenem oder europäischem Einfluss auf ihre Erschaffung besondere Aufmerksamkeit. Bei Wissensträger:innen steht hingegen die Frage nach dem Kontext ihres Transfers und den Zielen, welche sie und europäische Akteure damit verbanden, im Zentrum.

Übergreifend, sowohl bezüglich der Artefakte als auch der Wissensträger:innen, untersuchen die Beiträge die zeitgenössischen Einschätzungen zu der Glaubwürdigkeit bzw. Fragilität des durch sie verfügbaren Wissens. Hierfür ist zu prüfen, inwiefern außereuropäische Wissensträger:innen oder Artefakte im Verhältnis zu bereits vorhandenem Wissen oder den Regeln des epistemischen Systems als zugehörig, kompatibel oder fremdartig galten und welche Auswirkungen diese Einschätzung hatte. Somit tragen die Beiträge durch ihre jeweiligen Fallstudien auch dazu bei, die als Untersuchungskategorie genutzte Dichotomie von ‚europäisch‘ und ‚außereuropäisch‘ zu hinterfragen. Abschließend thematisieren die Beiträge die jeweilige Wirkung der exemplarisch untersuchten Wissensbestände, beispielsweise auf zukünftige Wissenssammlungen, interkulturelle Kontakte oder Interaktionen in kolonialen Räumen.

Jan Simon Karstens (Trier)
Das Wissen Indigener Amerikas im Kontext kolonialer Projekte in England und Frankreich (c. 1500-1620)

Der Vortrag eröffnet einen Überblick darüber, wie Höflinge, Freibeuter, Händler oder Ordensgeistliche in England und Frankreich versuchten, das Wissen amerikanischer Indigener für koloniale Projekte nutzbar zu machen. Untersucht werden hierfür Aufenthalte indigener sowie interkultureller Akteur:innen aus den Amerikas in Europa, ihr jeweiliger Kontext und ihre Wirkungsgeschichte. Besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf der Frage, inwiefern versucht wurde, ihr Wissen systematisch zu erfassen, und welche Bedeutung die Zuschreibung von Fremdheit, Zugehörigkeit oder Interkulturalität für die Einschätzung ihrer Glaubwürdigkeit besaß.

Adrian Masters (Trier)
Fragile Categories, Useful Resources: The Indigenous Co-Creation of the 'Mestizo' in Spanish Mexico, 1542-1598

Most research on Spanish viceregal society depicts laws’ ‚racial‘ terms as evidence of top-down racialization. Few ‘racial’ categories have received as much attention as the mestizo, which in the 1500s came to mean any individual of part-Spanish, part-Indian descent. Using textual analysis on 184 viceregal edicts, 5 viceregal instructions, 11 viceregal ordinances, 1 Indian ordinance, and 17 royal decrees, this talk shows that Indians actually played a central role in prompting imperial policies on mestizos. Paradoxically, the fragile, organic, bottom-up nature of this ‘racial’ category made it more useful for vassals, ensuring its penetration into everyday uses of the law.

Gauri Parasher (Trier)
Who Owns the Translation? The French Translation of the Bhagavatam and the Question of Ownership (1769-1795)

In the 18th century, French intellectuals were debating the veracity of Biblical chronology. While the role of ‘Indian’ knowledge in this debate has been documented, few have examined the unintended consequences of the process through which it reached Europe. Focusing on French translations of ‘Indian’ texts by the Tamil-Christian convert, Maridas Pillai, this paper demonstrates how the very process of transmission produced its own set of controversies. Thus, besides the content, the very way in which indigenous knowledge arrived in Europe gave rise to key questions about ownership of translations and the right to present indigenous knowledge in Europe and, in doing so, also shaped its reception.

Irina Saladin (Koblenz)
Ohne Worte. Nonverbale Kommunikation und die Produktion fragiler Fakten in Neuspanien (1602)

Der Beitrag widmet sich der ältesten aus Nordamerika überlieferten Karte, die von einem indigenen Mann im Auftrag von Europäern gezeichnet wurde. Ausgehend hiervon soll untersucht werden, wie Spanier und Indigene trotz Sprachbarrieren über komplexe räumliche Zusammenhänge kommunizierten. Hierzu wird die Karte als Bestandteil eines Befragungsprotokolls analysiert. Das mittels nonverbaler Kommunikation generierte Wissen enthielt „fragile Fakten“, deren Glaubwürdigkeit einer besonderen Begründung bedurfte. Es soll gezeigt werden, wie die administrative Erfassung der Kommunikationspraktiken dazu diente, Entscheidungsträger in Europa von der Glaubwürdigkeit dieser Fakten zu überzeugen.

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