Die deutschen Behörden und die NS-Zeit: Stand und Perspektiven der Forschung / Federal State Authorities and National Socialism: Current Research and Perspectives

(Frank Bösch, Potsdam)

Podiumsdiskussion
-Frank Bösch, Potsdam
-Constantin Goschler, Bochum
-Norbert Frei, Jena
-Axel Schildt, Hamburg
Moderation: Klaus Wiegrefe, Hamburg

Abstract:

Seit den letzten Jahren erforschen zahlreiche Kommissionen die Geschichte der Bundesministerien und anderer Bundesbehörden. Auf die Pionierstudie zum Auswärtigen Amt folgten etwa Kommissionen zum Justiz-, Wirtschafts-, Finanz-, Arbeits- und Innenministerium, ebenso zum BKA, BND und Bundesverfassungsschutz. Sie alle untersuchen, in welcher Beziehung diese Behörden zum Nationalsozialismus standen, sei es während der NS-Zeit, sei es nach 1945. Ebenso entstehen zunehmend Studien zu Landesministerien, Parlamenten oder nachgeordneten Behörden. Andere Bereiche sind dagegen bislang ausgespart; wie das Kanzleramt, der Bundestag oder weitestgehend auch die Behörden der DDR.
Zweifelsohne spricht einiges für derartige Studien: Durch sie werden bisher unzugängliche Archivquellen erschlossen, das Interesse an der NS-Geschichte gestärkt, und auch die Bedeutung der Bürokratie und Techniken politischer Herrschaft geraten so wieder in den Blick. Von staatlicher Seite wird hier Grundlagenforschung finanziert, die die Geschichtswissenschaft bisher nicht eigenständig vornahm. Allerdings sind zugleich die damit verbundenen Probleme unverkennbar: Werden durch die Studien wissenschaftlich relevante Ergebnisse produziert? Oder entstehen eher unverbundene Behördenstudien, die lediglich „Nazis zählen“, methodisch und konzeptionell aber keine neuen Akzente setzen? Bedeutet dies eine Subventionierung von Forschung, die einzelne Wissenschaftler privilegiert? Und wie unabhängig können Historiker arbeiten, die von den jeweiligen Ministerien und Behörden finanziert werden, die sie untersuchen, und auch beim Quellenzugang und der Ergebnissicherung eng mit den Auftraggebern kooperieren?
Die Podiumsdiskussion soll zunächst die bisherigen Ergebnisse und Zugänge dieser Studien und Projekte debattieren und danach fragen, worauf sich der Aufschwung der Aufarbeitungsforschung zurückführen lässt. Zudem dreht sie sich um die Frage, inwieweit sich diese Form der Förderung bewährt hat und wie künftig derartige Forschungen aussehen sollen. Sollen alle Bundesministerien bzw. oberen Bundesbehörden erforscht werden (es sind insgesamt 71) bzw. auf welche Weise ist eine Auswahl zu treffen? Wäre es sinnvoll, künftig nicht mehr einzelne Institutionen zu untersuchen, sondern etwa Querschnittsthemen zu bearbeiten und übergreifende Fragen zu stellen? Wie wäre die Auswahl und die Vergabe für derartige Projekte transparenter zu gestalten? Eine hierzu vorgelegte Bestandsaufnahme, die das Institut für Zeitgeschichte in München-Berlin und das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vorgelegt haben, hat dazu Vorschläge gemacht, die ebenfalls zur Diskussion gestellt werden.
Auf dem Podium wird dies aus unterschiedlichen Sichtweisen diskutiert: Leiter von bereits abgeschlossenen größeren Projekten, kleineren Kommissionen und neu gestarteten größeren Forschungsprojekten diskutieren mit der Politik, der Medien und anderen Vertretern der Geschichtswissenschaft.