Jenseits von Gewinn und Verlust. Entscheidungsfindung in der Frühen Neuzeit

RONALD G. ASCH (Freiburg i.Br.)
Der Wert des Vetos: Die „Remontrances“ des Pariser Parlement und ihre Bedeutungswandel im 17. und 18. Jahrhundert

MARTIN FABER (Freiburg i.Br.)
Missverständnis, übertriebene Tugend, Notwendigkeit für den Staat oder Phantom?
Das polnische Liberum Veto und seine gegensätzlichen Interpretationen

TIM NEU (Göttingen)
Jenseits von Gewinn und Verlust.
Steuerverhandlungen in den Reichsterritorien nach 1650 als Gabentausch

MARIA RHODE (Göttingen)
Einmütigkeit, Mehrheit, Veto, Los: Abstimmungsprozeduren im polnisch-litauischen Reich

MARKUS TAUSCHEK (Kiel)
Zur kulturellen Konstruktion von Konkurrenz.
Kulturanthropologische Fragen an ein „allgemeines Gesellschaftsphänomen“

BARBARA STOLLBERG-RILINGER (Münster)
Kommentar

Abstract:
Wie kommen Körperschaften in der Frühen Neuzeit zu ihren Entscheidungen? Wann folgen sie dem Mehrheits-, wann dem Konsens- und Sanioritätsprinzip, wann ziehen sie gar das Los vor oder legen ein Veto ein? Wer sind die Gewinner und Verlierer der jeweiligen Verfahren und wie wird die Legitimität der Entscheidungen her- und dargestellt? In welche Tausch-, Loyalitäts- und Verflechtungsgeschichten ist das Prozedere der Beschlussfassung eingebettet? Und ganz grundsätzlich: Welche Rolle spielt Wettbewerb bei der Entwicklung von Verfahren und dem Fällen von Entscheidungen? Dieses Bündel an Fragen steht am Anfang der Sektion Jenseits von Gewinn und Verlust: Entscheidungsfindung in der Frühen Neuzeit, die nach den Entstehungskontexten, dem sozialen Sinn und den Logiken und Rhetoriken der jeweiligen Verfahren fragt.
Ausgehend von der für das Reich bereits durch umfangreiche Forschung gestützten Beobachtung, dass konsensuale Entscheidungen in der politischen Kultur der Frühen Neuzeit einen eminent hohen Wert darstellten und nicht zuletzt über ihre performative Vermittlung integrativ wirkten, wird die Sektion nach den jeweiligen Formen, Ausprägungen und Folgen von Entscheidungsfindungen in Korporationen des frühneuzeitlichen Europa am Beispiel Frankreichs, des Reiches und Polens fragen. Mit den unterschiedlichen geographischen Räumen werden Fallbeispiele betrachtet, die sowohl Parallelen erkennen lassen als auch einen kontrastiven Vergleich erlauben.

English Version:
Beyond winning and losing: Decision-making in Early Modern Societies

How did decision-making work in Early Modern societies? At what point did parliaments, estates and other corporate associations decide by majority, when did they prefer unanimity, and when did they insist on having a veto or else preferred principles of saniority or drawing lots? Who are the winners and losers in all these different procedures and how was legitimacy being produced and performed? In what kind of exchange processes, affirmations of loyalty and relational networks were decision-making procedures embedded? And finally, how important was competition for decision-making processes and the creation and institutionalization of decision-making procedures?
These questions form the starting point for case studies concerning Early modern French, German and Polish institutions and corporations in order to discover similarities and differences therein.