Die Abstracts der Sektionen wurden aktualisiert |
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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren. |
Manche sind gleicher. Institutionelle Stabilisierung von Ungleichheit von der Antike zur Moderne
Leitung: Gert Melville, Dresden
Abstract zur Sektion
Jede soziale Ordnung stellt Mechanismen bereit, um zwangsläufig immer zu knappe Ressourcen zu verteilen. Diese Mechanismen produzieren und perpetuieren dabei faktisch Ungleichheiten. Uns interessieren nun besonders institutionelle Strukturen, in denen sich Geltungsgeschichten und Symbolisierungen von Egalität mit Ungleichheiten reiben, ohne daß die Strukturen der Ungleichheit dadurch grundlegend unterminiert werden. Vielmehr verstehen wir diese Reibungen als Spannungszustände, die institutionell stabilisiert werden. Unterschiedliche Varianten der Spannungsbalance sind möglich bzw. wahrscheinlich: unaufgelöste Ziel- und Wertungskonflikte können verdrängt bzw. überspielt werden; die Spannungen können als Theorie-Praxis-Differenzen konzeptualisiert und manchmal in der Unterscheidung zwischen gegenwärtiger Unzulänglichkeit und zukünftiger Besserung entschärft werden; Gleichheit und Ungleichheit können jeweils eigene Sektoren zugewiesen werden; es kann zu Verschränkungen mit Gerechtigkeitsdiskursen kommen, die Ungleichheiten rechtfertigen; Grundelemente der Ordnung können ins Unverfügbare transzendiert und damit alternativlos werden; Ungleichheit und Gleichheit können verschiedenen Welten zugeordnet und somit zeitlich und sphärisch getrennt werden etc.
Ein konkreter Kern, den unsere Fallstudien in den Blick nehmen wollen, sind Reibungen zwischen den Suggestionen der Gleichheit und rechtsförmigen Administration der Verfassung einerseits, ständischer und sozialer Ungleichheit auf der anderen Seite, zwischen Egalität und Privileg, zwischen Gesetz und Patronage. Da die Patronage nicht nach Gleichbehandlung aller Bürger fragt, sondern der Förderung der Interessen der persönlich miteinander Verbundenen dient, steht sie in einem prinzipiellen Widerspruch zum Gesetz und zur Rechtsordnung, die den Anspruch erhebt, den definierten Kreis der Betroffenen gleich zu behandeln. Dies gilt auch für ständische Gesellschaften, denn selbst wo die Betroffenheit von Gesetzen nach Standeszugehörigkeit differenziert werden kann, wird doch innerhalb der Stände Gleichheit suggeriert – und durch Patronage konterkariert.
Die Sektion will das skizzierte Problemfeld epochenübergreifend in den Blick nehmen und so die heuristischen Potentiale des Dresdner SFB 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ erproben. Die Fallstudien erstrecken sich nicht nur auf die Vormoderne (Antike, Spätmittelalter/Frühneuzeit) mit ihren begrenzten Gleichheitsansprüchen bei grundsätzlich akzeptierter ständisch-sozialer Ungleichheit (hier war z. B. die Patronage ein allgemein akzeptiertes und offen praktiziertes Distributionsprinzip für Ressourcen aller Art), sondern auch auf die Moderne mit ihren radikaleren Gleichheitsforderungen (in der Patronage als illegaler Störfaktor aufgefaßt wird, was ihrer Präsenz ja keinen Abbruch tun muß). Die Einleitung des Mediävisten und SFB-Sprechers Gert MELVILLE und der Kommentar von Hans VORLÄNDER, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte, dienen dazu, das analytische Konzept vorzustellen und in einen weiteren sowohl historischen wie systematischen Kontext zu stellen.