Die Abstracts der Sektionen wurden aktualisiert

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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Brauchen wir eine neue deutsche Meistererzählung? Perspektiven aus der Frühen Neuzeit

Leitung: Johannes Burkhardt, Augsburg

  1. Das ungleiche Nebeneinander und die Einheit des historischen Erzählens
    Referent/in: Georg Schmidt, Jena/München
  2. Mesogeschichte. Modellerzählung zwischen Region und Reich
    Referent/in: Dietmar Schiersner, Weingarten
  3. Vom Corpus Evangelicorum zum deutschen Föderalismus
    Referent/in: Gabriele Haug-Moritz, Graz
  4. In Europa ankommen: Das Theresianische Österreich, das ausgeliehene Kaisertum und die Signaturen der Macht
    Referent/in: Regina Dauser, Augsburg
  5. Die Vereinigten Staaten – Gegenentwurf oder Fortsetzung des föderalen Reiches mit anderen Mitteln
    Referent/in: Jürgen Overhoff, Potsdam
  6. Nicht nur Ungleichheiten. Das Reich deutscher Nation und die Bundesrepublik Deutschland
    Referent/in: Johannes Burkhardt, Augsburg

Abstract zur Sektion

Unter den Begriff „Meistererzählung", als einer geschichtswissenschaftlichen Großdeutung hinter den Einzelerzählungen, sind auf Historikertagen schon Sektionen gestellt worden, aber noch nie eine frühneuzeitliche. Dabei stellt sich besonders dringend in dieser Fachepoche die Frage, ob wir nicht neben den weit ausdifferenzierten methodologischen und thematischen Neuansätzen auch eine erneuerte Synthese zur deutschen Geschichte brauchen. Magazine, Illustrierte und manchmal auch didaktische Handreichungen, die den öffentlichen Bedarf daran zu befriedigen suchen, werden sonst weiter um die heute grotesk gewordenen Meistererzählungen von gestern und vorgestern kreisen.

Dabei sollte es in dieser Sektion nicht um die Analyse vorhandener oder verfehlter Meis-tererzählungen in distanzierender Absicht gehen, sondern um die Erkundung der Möglichkei-ten für eine heute für uns und den Wissenschaftsstand angemessenen neuen: um Erzäh-lungen von der Einheit und dem Weg der deutschen Geschichte.

Synthesehilfe konnte wie in allen Nationalgeschichten im Europa der Neuzeit das real exis-tierende politische System leisten: in der Frühen Neuzeit das Reich deutscher Nation. Be-denkt man die Ungleichheiten der mächtigen und mindermächtigen Reichsglieder, dann schien das Historikertagsmotto dem Reich geradezu auf den Leib geschrieben. Die Region als Modell für das Reich zwischen Makro- und Mikroebene, die immer wieder erstaunliche föderative Kompetenz und die demonstrative Verklammerung des habsburgischen Erz-hauses mit dem höchsten Reichsamt waren auf narrative Perspektiven zu prüfen, die am Ende räumlich und zeitlich weit über das Reich hinaus wiesen.

 

Diskussionsresümee des Sektionsleiters

In der Diskussion, die auch danach noch weiterfgeführt wurde, wunderte sich Christoph Dip-per zu Recht darüber, daß die Titelfrage der Sektion gleich unter der Voraussetzung einer positiven Antwort behandelt wurde. Das war nicht nur dem nach Provokations- und Vermitt-lungspotential zusammengesetzten Podium geschuldet, sondern dem Planungsfehler, daß eine der wenigen Frühneuzeitsektionen, aus deren Kreis kompetenter Widerspruch aus dem Publikum zu erwarten, ja schon vereinbart war, genau gleichzeitig stattfand. Um das Beste aus dieser absehbaren Situation zu machen, hat der Sektionsleiter die Agenda gleich auf die zweite Frage: „Wenn ja - dann wie?" gelenkt. Hier zeichnete sich die Föderalismusfähigkeit der deutschen Geschichte als der am stärksten verbindende rote Faden ab, der aber in ver-schiedenen Bedeutungen, Kontexten und didaktischen Verwendungsmöglichkeiten gesehen werden kann, nach denen auch gefragt wurde. So erweist sich der im 18. Jahrhundert (Haug-Moritz) besonders starke bundesstaatliche Gedanke selbst als eine geschichtliche Variable und wird andererseits durchaus noch vom Wiener Reichsinteresse konterkariert (Dauser). Schiersners Einbeziehung einer regionalen Mesogeschichte ist ein hoch-, vielleicht überkomplexes Unternehmen, andererseits erfaßt die in Burkhardts Publikationen bisher vorherrschende Reduktion auf zwei politische Gewaltenebenen nicht den Föderalismus von unten - weder im Reich noch in der Bundesrepublik. Während Georg Schmidt gleichsam eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit über das andersartige 19. und frühe 20. Jahrhundert hinweg schlägt, um einen zeitgemäßen Dialog mit der Frühen Neuzeit zu ermöglichen, sucht Burkhardt nach den verborgenen Kontinuitäten des Föderalismus auch das 19. Jahrhundert hindurch, und möchte so die Bedeutung dieser politischen Tradition der heutigen politischen Didaktik und Kultur empfehlen. In einem „Leserbrief" sieht Frank Pohle (Aachen) als Teilnehmer der Sektion sie zustimmend als machtstaatskritische Föderalismus-sektion im Gegensatz zur Historikertagsrede Cyril Svobodas in der Kreuzkirche und fordert ein stärkeres Engagement der Fachhistoriker selbst in der politischen Öffentlichkeit. Der Sek-tionsleiter stimmt zu und hat hier nicht die prinzipiellen Vorbehalte anderer Kollegen, aber man kann in einem kurzen Wissenschaftlerleben nicht alles selber tun, sondern muß auch arbeitsteilig vorgehen und erwarten, daß neue und bessere „Meistererzählungen" didaktisch und medial versierte Multiplikatoren und Anwendungspartner finden.

Vorträge Epoche
Das ungleiche Nebeneinander und die Einheit des historischen Erzählens Frühe Neuzeit
Mesogeschichte. Modellerzählung zwischen Region und Reich Frühe Neuzeit
Vom Corpus Evangelicorum zum deutschen Föderalismus Frühe Neuzeit
In Europa ankommen: Das Theresianische Österreich, das ausgeliehene Kaisertum und die Signaturen... Frühe Neuzeit
Die Vereinigten Staaten – Gegenentwurf oder Fortsetzung des föderalen Reiches mit anderen Mitteln Frühe Neuzeit
Nicht nur Ungleichheiten. Das Reich deutscher Nation und die Bundesrepublik Deutschland Frühe Neuzeit