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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
Steaks aus Erdöl? Pfadabhängigkeiten der biotechnologischen Forschung der DDR im internationalen ...
Tag:
02.10.2008
Epoche:
Zeitgeschichte
Sektion:
Ungleiche Pfade? Innovationskulturen im deutsch-deutschen Vergleich

Abstract:

Steaks aus Erdöl? Pfadabhängigkeiten der biotechnologischen Forschung der DDR im internationalen Vergleich

Referent/in: Uwe Fraunholz, Dresden

Spätestens seit dem Ersten Weltkrieg, der Geburtsstunde der deutschen Ersatzstoffkultur, übte das Leitbild der Autarkie erheblichen Einfluss auf die Innovationskultur in Deutschland aus. Doch während es der Bundesrepublik in den 1960er Jahren gelang, durch zunehmende Integration in die Weltwirtschaft diesen Pfad zu verlassen, verharrte die DDR aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit unfreiwillig in dieser Tradition. Ergebnis der Autarkieorientierung waren Innovationsaktivitäten im Bereich der Ersatzstoffe. Diese wurden im Rahmen der NS-Kriegswirtschaft ebenso verfolgt, wie als Teil der Aktivitäten zur „Störfreimachung“ der DDR-Wirtschaft. Aufgrund der Konsumentenferne diktatorischer Innovationssysteme ließen sich insbesondere Ersatzstoffprojekte im sensiblen Lebens- und Futtermittelmittelbereich intensiv verfolgen.
Am Beispiel der Produktion einzelliger Proteine lässt sich demonstrieren, wie Innovationspolitik unter Abwesenheit von Marktbedingungen scheiterte. Einzellereiweiße sind mikrobielle Proteine, die mittels Massenkultur von Hefen oder Bakterien produziert und mit Abfällen aus Landwirtschaft und Industrie gefüttert werden können. Das entstehende Produkt basiert auf billigen Ausgangsmaterialien, weist durch seinen hohen Proteingehalt eine gute Nahrungseffizienz auf, kann aufgrund seiner Herkunft bei den Konsumenten allerdings auf Vorbehalte stoßen. Daher wird es heute vorrangig als Futtermittelzusatz verwendet.
Auch in den westlichen Industriestaaten versprach man sich von Einzellereiweiß geraume Zeit eine Rationalisierung der Nahrungsmittelproduktion und die Überwindung des Welthungerproblems. In der DDR wurde aber ein Großteil der biotechnologischen Forschungskapazitäten auf dieses Gebiet konzentriert. Beim beharrlichen Verfolgen einmal eingeschlagener Pfade spielten neben Systemspezifika längerfristige kulturelle Prägungen eine wichtige Rolle.