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Der Berichtsband erscheint voraussichtlich im Sommer 2009. Wir werden Sie an dieser Stelle weiterhin informieren.
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Vortragstitel:
Chuzpe, Kalkül und Phantasie – Karriere und Nachruhm der Unternehmerin Mme. Kaulla (1739-1809)
Tag:
03.10.2008
Epoche:
Frühe Neuzeit
Sektion:
Strategien gegen Ungleichheiten in Ehe, Recht und Beruf: Jüdische Frauen im vormodernen Aschkenas

Abstract:

Chuzpe, Kalkül und Phantasie – Karriere und Nachruhm der Unternehmerin Mme. Kaulla (1739-1809)

Referent/in: Rotraud Ries, Berlin

Als älteste Tochter eines Hoffaktors wuchs Kaule bat Raphael in der kleinen hohenzollerischen Residenz Hechingen auf und war schon Assistentin ihres Vaters, als die Brüder noch fast in den Windeln lagen. Schnell zeigte sich ihre kommunikative Kompetenz und ihre unternehmerische Genialität, so dass sie – absolut ungewöhnlich für eine junge, nicht verwitwete Frau – nach dem Tod des Vaters dessen Hof-Kontakte und -Geschäfte übernehmen konnte. Ihr Mann zog sich zu religiösen Studien zurück, während Kaule zunächst allein, dann zusammen mit ihrem Bruder Jakob immer größer ins Geschäft einstieg, durch Heereslieferungen reich wurde und schließlich als Hofbanquierin im Königreich Württemberg den Gipfel des Erfolgs erklomm.
Mme. Kaulla, wie sie bald genannt wurde, hatte Geld und Einfluss. Als Mann hätte sie säkulare Spitzenpositionen in der jüdischen Gesellschaft eingenommen und wäre als „Schtadlan“, als Fürsprecher gegenüber dem Herrscher für die Judenschaft aufgetreten und geehrt worden. Informell tat sie das auch und bewirkte viel; doch in der jüdischen Gemeinde konnte sie weder Vorsteher-Ämter bekleiden noch Titel führen. Und vollends zum Problem wurde die Diskrepanz zwischen Kaullas Leistungen und den für eine Frau zur Verfügung stehenden Würdigungsmöglichkeiten nach ihrem Tod.
Welche Repräsentationsformen die Unternehmerin selbst wählte und welche Würdigungsformen ihre Familie nach ihrem Tod (er)fand, kann anhand von Bild- und Textzeugnissen wie der Grabanlage der Familie Kaulla gezeigt werden. Mit kreativen Adaptionen vorhandener Formen und der Nutzung neuer Medien gelang es Mme. Kaulla und ihrer Familie, die gender-spezifischen Ungleichheiten zu kompensieren.