Integrative Spaltungen? Zur Ambivalenz des „Nationalen“ in Unternehmen
Abstract
Das grenzüberschreitende Handeln von Unternehmen kann soziale, kulturelle und politische Grenzen überwinden, aber auch Spaltungen herbeiführen. Ursache dafür ist nicht zuletzt ein ambivalentes Verhältnis zur Nationalität und zum Nationalen. Ob der Sitz oder die Nationalität der Eigentümer, der Unternehmensleitung, der Belegschaft, ob Produkte, interne Identitätskonstruktionen oder Narrative die Nationalität von Unternehmen definieren, ist keineswegs a priori oder dauerhaft determiniert. Nach der Etablierung der Nationalstaaten und der Durchsetzung der Industriemoderne in Nordamerika und Europa im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zeigten sich zahlreiche Spannungen zwischen einheimischen und fremden Firmen, gleichzeitig konnten Unternehmen nationale Zuschreibungen fortan verstärkt nutzen, um Geschäfte zu initiieren oder Anleger zu gewinnen.
Eindrücklich zeigt sich diese Problematik „gespaltener Unternehmen“ im Fall autoritärer Staaten sowie zu Kriegszeiten, in denen Regierungen tief in die Eigentums- und Verfügungsrechte der Unternehmen eingriffen, doch auch in Friedenszeiten konfligierten bisweilen nationalstaatliche und ökonomische Zielsetzungen. Öffentlichkeitswirksam warnte etwa der Publizist Jean-Jacques Servan-Schreiber 1968 vor der amerikanischen Herausforderung, als multinationale US-Firmen vermehrt europäische Unternehmen übernahmen und Produktionsstandorte in Westeuropa aufbauten. Zugleich entwickelten sich Unternehmen seit den 1970er Jahren zu zentralen Akteuren der Globalisierung, und auch im Rahmen der europäischen Integration waren Unternehmen keineswegs nur Objekte nationaler Politik, sondern Akteure wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Austauschprozesse. Die fünf Beiträge der Sektion fokussieren auf unterschiedliche Formen der Spaltung infolge nationaler Selbstbeschreibungen oder Zuordnungen und reichen von den 1880er Jahren bis in die jüngere Zeitgeschichte.