Christian Marx Boris Gehlen (Sektionsleitung)

Integrative Spaltungen? Zur Ambivalenz des „Nationalen“ in Unternehmen

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Abstract

Das grenzüberschreitende Handeln von Unternehmen kann soziale, kulturelle und politische Grenzen überwinden, aber auch Spaltungen herbeiführen. Ursache dafür ist nicht zuletzt ein ambivalentes Verhältnis zur Nationalität und zum Nationalen. Ob der Sitz oder die Nationalität der Eigentümer, der Unternehmensleitung, der Belegschaft, ob Produkte, interne Identitätskonstruktionen oder Narrative die Nationalität von Unternehmen definieren, ist keineswegs a priori oder dauerhaft determiniert. Nach der Etablierung der Nationalstaaten und der Durchsetzung der Industriemoderne in Nordamerika und Europa im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zeigten sich zahlreiche Spannungen zwischen einheimischen und fremden Firmen, gleichzeitig konnten Unternehmen nationale Zuschreibungen fortan verstärkt nutzen, um Geschäfte zu initiieren oder Anleger zu gewinnen.
Eindrücklich zeigt sich diese Problematik „gespaltener Unternehmen“ im Fall autoritärer Staaten sowie zu Kriegszeiten, in denen Regierungen tief in die Eigentums- und Verfügungsrechte der Unternehmen eingriffen, doch auch in Friedenszeiten konfligierten bisweilen nationalstaatliche und ökonomische Zielsetzungen. Öffentlichkeitswirksam warnte etwa der Publizist Jean-Jacques Servan-Schreiber 1968 vor der amerikanischen Herausforderung, als multinationale US-Firmen vermehrt europäische Unternehmen übernahmen und Produktionsstandorte in Westeuropa aufbauten. Zugleich entwickelten sich Unternehmen seit den 1970er Jahren zu zentralen Akteuren der Globalisierung, und auch im Rahmen der europäischen Integration waren Unternehmen keineswegs nur Objekte nationaler Politik, sondern Akteure wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Austauschprozesse. Die fünf Beiträge der Sektion fokussieren auf unterschiedliche Formen der Spaltung infolge nationaler Selbstbeschreibungen oder Zuordnungen und reichen von den 1880er Jahren bis in die jüngere Zeitgeschichte.

Christian Marx (Trier) Boris Gehlen (Bonn)
Einführung
Korinna Schönhärl (Duisburg/Essen)
Die Konstruktion des Kanals von Korinth. Ein französisches Prestigeprojekt an der europäischen Peripherie (1881-1893)
Boris Gehlen (Bonn)
Nationalität(en) als strategische Ressource: Der Thyssen-Bornemisza-Verbund in den 1940er und 1950er Jahren
Juliane Czierpka (Bochum)
Europäisch oder Deutsch? Die Bergbauunternehmen der Ruhr als Teil der EGKS in den 1950er und 1960er Jahren
Christian Marx (Trier)
Eigentum und Kontrolle in multinationalen Unternehmen. Der deutsch-niederländischen Akzo-Konzern von den 1940er bis in die 1990er Jahre
Ralf Ahrens (Potsdam)
Ein transnationales Unternehmen? Airbus und die Industriepolitik seit den 1960er Jahren
Ingo Köhler (Göttingen)
Kommentar