Einheit oder Spaltung durch Transformation? Erfahrungen und Narrative einer langen Geschichte des (post)kommunistischen Umbruchs in Zentraleuropa
Abstract
Nicht die auf die politischen Groß-Ereignisse fokussierten Darstellungen über 1989/91 stehen im Mittelpunkt dieser Sektion, vielmehr wird der Annahme gefolgt, dass gerade die verbindende Perspektive auf Strukturgeschichte, Erfahrungen und Expertendiskurse bzw. – anders ausgedrückt – auf Systemwechsel, Lebenswelt und Ideen ein umfassendes Bild der Gesellschaften im (post)kommunistischen Umbruch ergibt. Lange Zeit galten Sozialwissenschaftler als Experten für die Transformationszeit. Mittlerweile beschäftigen sich – nicht zuletzt angeregt von Ther, Yurchak und Krapfl – mehrere geschichtswissenschaftliche Projekte mit der Transformation in verschiedenen (post)kommunistischen Gesellschaften in einer langen zeitlichen Perspektive über den Epochenbruch hinaus. Deshalb sollen in dieser Sektion Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungsräumen vorgestellt und vergleichend diskutiert werden. Dabei stehen zwei Fragenkomplexe im Mittelpunkt, ein inhaltlicher und ein methodischer: (1) Wie verhielten sich die Erfahrungen vor Ort und an der Basis der betroffenen Gesellschaften zu den strukturellen Veränderungen auf der Makroebene, die in der Regel die offiziellen Darstellungen dominieren? Und welche Rolle spielten Experten dabei? Damit verbunden ist ein Hinterfragen der mitschwingenden Vorannahmen – etwa der vermeintlich demokratischen bzw. menschenrechtlichen Motivation der massenhaften Proteste – waren nicht schon damals nationalistische Motive erkennbar? (2) Wie und auf welcher Quellenbasis kann überhaupt eine lange, das heißt etwa um 1980 ansetzende, Transformationsgeschichte erforscht und geschrieben werden? Diese Frage zielt auf die sehr unterschiedlichen Quellenbestände vor, während und nach dem Systemwechsel und auf die Herausforderung der Verbindung von Mikro- und Makroebene. Es ist Ziel der Sektion, mithilfe von kurzen Positionspapieren und Kommentaren die inhaltlichen und methodischen Probleme der Transformationsgeschichte länderübergreifend zu identifizieren und pointiert zu diskutierten.