Stefan Pfeiffer Gregor Weber (Sektionsleitung)

Ausprägungen und Überwindungen gesellschaftlicher Spaltungen im Zeitalter des Hellenismus (4.-1. Jh. v. Chr.)

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Abstract

Die Ethnien des Orients und Nordafrikas erlebten unter den Fremdherrschaften der Nachfolger Alexanders eine tiefgreifende soziale Neuformierung: Zahlreiche Griechen, Makedonen und andere Fremde kamen als neue Herren in diese Siedlungsgebiete, wo sich mit ihnen als dominierender Schicht neue Gesellschaften von „Hellenen“ formierten: Sie lebten teils mit Einheimischen Haus an Haus, teils in abgegrenzten Siedlungen neben der indigenen Bevölkerung. Sie achteten darauf, ihre soziale Identität zu wahren, die Privilegien mit sich brachte. Die soziale Spaltung kam u.a. im Gebrauch des Griechischen als Herrschaftssprache zum Ausdruck. Diese „Hellenen“ waren keine geschlossene Gruppe, sondern blieben offen für ‚Zuwachs‘, denn auch der Indigene konnte zum Griechen werden, wenn er über bestimmte Fähigkeiten verfügte. Trotz ihrer Diversität und mit dieser inneren Struktur sind die Gebilde als Gesellschaften anzusprechen, da sie unter der Herrschaft von Monarchen standen: Sie sind multiethnisch, in steter Formation und Veränderung begriffen. Das soziale, kulturelle und religiöse ‚Gespalten-Sein‘ stellt einen Grundzustand dar, insofern Prozesse zwischen Annäherung und Aneignung, Begegnung und Kontakt, Resistenz und Abstoßung abliefen. Dass es in den Königreichen starke Friktionen gab, die bis zum extremsten Mittel der Konfliktlösung, dem (Bürger-)Krieg, reichen konnten, ist erwiesen, doch werden die Verhältnisse in den jeweiligen Reichen konträr interpretiert. In der Sektion wird gefragt, welche Ursachen die Friktionen hatten und wie die Könige mit ihnen umgingen, d.h. welche Mechanismen der Konfliktlösung und Integration helfen sollten, den gesellschaftlichen Frieden (wieder) herzustellen, ebenso, wie einzelne Bevölkerungsgruppen auf diese Strategien reagierten bzw. selbst aktiv wurden. Es wird zu prüfen sein, ob sich für die gesamte Epoche konstitutive Konfliktlinien, Normen und Folgen erkennen lassen und welche Erklärungsmuster aus einer ‚signifikanten Vielfalt‘ ableitbar sind.

Gregor Weber (Augsburg)
Einführung
Peter Franz Mittag (Köln)
Indigene Illoyalität im Seleukidenreich. Gründe, Anlässe, Folgen
In den letzten Jahren ist die Organisation des Seleukidenreiches stärker in den Fokus der Forschung gerückt. Angesichts der Größe des Reiches, der beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten, der eingeschränkten Mobilität und der Tatsache, dass sich der König mit seinem Hof nur an einem Ort aufhalten konnte, überrascht es wenig, wenn vor allem in Randregionen Loyalitätsprobleme auftraten. Daneben konnten aber auch akute Schwächungen der Zentralgewalt, erhöhter Abgabendruck oder eine Kränkung des Selbstwertgefühles zu Aufständen führen. Die Androhung oder der Einsatz militärischer Mittel führten in der Regel zur Beruhigung der Situation.
Andreas Hartmann (Augsburg)
Verräter der Gesetze. Verargumentierung von Konflikten im hellenistischen Judäa
Im Falle des hellenistischen Judäa ist es möglich, die inneren Konflikte einer nicht-griechischen Gesellschaft in deren eigenen Zeugnissen nachzuvollziehen. Als zentrale Norm erscheint in diesen Quellen das „Gesetz“, die diesbezügliche Deutungshoheit war jedoch umstritten. Einen Versuch der diskursiven Überwindung einer inneren Spaltung liefert das 1. Makkabäerbuch, indem es diese durch Ethnisierung externalisiert und einen übergreifenden Konsens innerhalb des „Volkes“ konstruiert. Das Ideal einer ungemischten Reinheit (amixia) scheint auch Konsequenzen in der Praxis gezeitigt zu haben. Von einer wirklichen Überwindung der inneren Spaltungen kann dennoch nicht die Rede sein.
Gunnar R. Dumke (Halle-Wittenberg)
Grieche sein um jeden Preis? Strategien zur Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen im hellenistischen Fernen Osten
Die aus den Eroberungen Alexanders im Fernen Osten hervorgegangenen gräko-makedonischen Dynastien haben als Zeugnisse vor allem ihre Münzen hinterlassen. Anhand dieser Prägungen, die zweisprachige (eine griechische und indische) Legenden tragen, und ihrer griechischen Ikonographie lassen sich Strategien zum Umgang mit der multikulturellen Gesellschaft des hellenistischen Indiens rekonstruieren. Die lange Zeit vorgenommene Praxis, hierbei klar zwischen griechischen Herrschern auf der einen und nicht-griechischen auf der anderen Seite zu unterscheiden, muss kritisch hinterfragt und letzten Endes aufgegeben werden. Es wird die Frage untersucht, inwieweit die Änderungen im Münzdesign auf gesellschaftliche Spaltungen Rücksicht nehmen oder gerade ein Versuch sind, solche zu überwinden.
Stefan Pfeiffer (Halle-Wittenberg)
Innere Konflikte und herrschaftliche Versöhnungsstrategien im ptolemäischen Ägypten (3.-2. Jh. v. Chr.).
Die Ptolemäer stellten die stabilste Nachfolgedynastie Alexanders des Großen. Zu bestimmten Zeiten offenbarten sich in ihrem Stammland Ägypten jedoch tiefe gesellschaftliche Spannungen, die zu Beginn des 3. Jh.s v. Chr. in einer Aufstandsbewegung mündeten und in Oberägypten zu einer ägyptischen Reichsgründung führten. Im Vortrag wird es um die Frage nach den Ursachen und Trägern der Aufstände ebenso wie um die Deutungs- und Befriedungsstrategien des Königshauses gehen.
Hans-Ulrich Wiemer (Erlangen-Nürnberg)
Kommentar