Jörg Baberowski Peter Hoeres (Chair of the panel)

Divided memory and continuity of elites. Post-totalitarian societies in comparison

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Peter Hoeres (Würzburg)
Einleitung
Bastian Matteo Scianna (Potsdam)
Das italienische Militär nach dem Faschismus und das österreichische Bundesheer nach dem Nationalsozialismus
Die Problematik des „Vorbildes Wehrmacht“ und personelle Kontinuitäten in der Bundeswehr waren häufig Gegenstand von Forschungsdebatten. Die Streitkräfte in den Nachkriegsdemokratien in Österreich und Italien sind bisher wenig untersucht worden. In beiden Fällen zeigen sich personelle und geistige Kontinuitäten, (Elite-)Netzwerke, die auf die Zeit vor 1945 zurückgehen, aber auch unterschiedliche Ansätze um „schwarze Schafe“ aus den eigenen Reihen auszuschließen. Eine Analyse der österreichischen und italienischen militärischen Erinnerungspolitik und Elitenkontinuität gestattet somit eine vergleichende Einordnung des deutschen Falls.
Klaus Mühlhahn (Berlin)
Die Herausbildung von Chinas posttotalitärem Autoritarismus: Eine institutionengeschichtliche Analyse
Nach dem Tod Mao Zedongs ist in China ein autoritäres System entstanden, das ebenso oft kritisiert wie bewundert wurde. Die Funktionsweise dieses Systems jedoch ist selten historisch untersucht worden. Der Beitrag wird die Entstehung dieses Systems analysieren, indem institutionellen Veränderungen und Innovationen in der unmittelbaren postmaoistischen Phase rekonstruiert werden. Es werden drei Aspekte besprochen: Erstens war die chinesische Kommunistische Partei (eine massive Organisation mit einer riesigen Mitgliedsbasis) keinesfalls ein institutionelles Hindernis für die Überwindung des totalitären Erbes der Mao-Ära. Zweitens war die Partei nie vollkommen vereinheitlicht worden, auch wenn es keine formalen Fraktionen gab (Mao hatte immer "Parteien innerhalb der Partei" zugelassen). Es gab einen beträchtlichen inneren Parteipluralismus und intensive Diskussionen, vor allem über die Rolle und Form der Diktatur im Sozialismus. Drittens reagierte die Partei auf die Forderungen der Öffentlichkeit in der einen oder anderen Weise, einschließlich der Verschiebung bestimmter Aspekte der Reformpolitik. Mit anderen Worten, im Hinblick auf die Überwindung des Totalitarismus nach Maos Tod ist die KPCh nicht nur als Teil des institutionellen Problems zu behandeln, sondern eher als notwendige Quelle zur institutionellen Überwindung totalitären Strukturen zu sehen. Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, weil sich die Partei in den siebziger Jahren von innen gewandelt hat. Die Partei blieb die einzige Institution, die stark genug war, um die nationale Einheit zu erhalten, und die in der Lage war, um ihrer selbst willen in der Akkommodation gesellschaftlicher Interessen weitreichende Wirtschaftsreformen zu beginnen.
Claudia Weber (Frankfurt (Oder))
Chruschtschows „Tauwetter“ und die Gewalt. Akteure und Mythen der Entstalinisierung
Wie der Nationalsozialismus verfügte auch der Stalinismus über zahlreiche Gewaltakteure, die den Tod des Diktators ebenso überlebten wie das Ende der Diktatur. Während enge Gefolgsleute des berüchtigten NKWD-Chefs Lavrentij Berija mit diesem in verborgenen Sondertribunalen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, gelang anderen, zu denen Nikita Chruščëv durchaus gezählt werden kann, der politische Aufstieg. Die Entstalinisierung bedeutete, wie der Vortrag zeigt, vor allem das Ende der Massengewalt. Dass sie einen Elitenwandel meinte, gehört zu ihren Mythen. Vor diesem Hintergrund werden im Vortrag die Fragen diskutiert, warum beide Prozesse – das Ende der Gewalt und der Elitenwandel – überhaupt zusammen gedacht werden und welche Bedeutung Elitenkontinuität für Gewalt in posttotalitären Gesellschaften besitzt.
Jörn Happel (Basel)
Die Erben Molotovs. Die russische Diplomaten-Elite nach dem Ende der Sowjetunion
Männer aus dem alten Partei-Establishment und sogar aus der höchsten Führungsebene – dem Politbüro – setzten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unbeschadet ihre Karrieren im neuen Russland und weiteren Nachfolgestaaten der Sowjetunion fort. Die Demokratie wurde von Parteisoldaten aufgebaut, die entweder als Oligarchen zu einem riesigen Vermögen kamen und bis heute politischen Einfluss ausüben oder in neuen Parteien neue politische Macht anstrebten. In besonderer Weise zeigte sich dies im russischen Außenministerium. Die Außenministerien spielten für die internationale Darstellung der kommunistischen Länder eine große Rolle, doch ihre Bedeutung innerhalb der Parteiführung war gering. Ihre Kader konnten jedoch im Umbruch um das Jahr 1989 an Macht gewinnen. Es scheint, der zweiten und dritten Reihe der jungen Diplomatinnen und Diplomaten ist es leichtgefallen, den Wechsel zu überstehen. Dabei waren sie es, die die Ideale der Stalinistischen Diplomatie noch verinnerlicht hatten und diese in den Regimewechsel hineintrugen. Bis heute hat sich so der Geist des Begründers des Sowjetdiplomaten, Außenkommissar Molotov, und der seines Musterschülers, der im Westen Mr. Njet genannte langjährige Außenminister Gromyko, erhalten. Die von Molotov begründete Höhere Diplomatische Schule besteht bis heute als Kaderschmiede russischer Diplomaten und es ist kein Zufall, dass der erste russische Außenminister Kosyrev langgedienter Diplomat im Ministerium der Sowjetunion war und dessen Nachfolger Primakov sogar im Zentralkomitee der KPdSU gesessen hatte. In meinem Vortrag frage ich nach der Ausbildung der Sowjetdiplomaten und nach ihrer Bedeutung für das heutige Rollenbild russischer Diplomaten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des „außenpolitischen Arbeiters“ (Molotov) werden analysiert; dabei wird eine Kontinuität an Denken und Handelsweisen offengelegt, die weit in das vergangene Jahrhundert zurückreicht.
Tilman Mayer (Bonn)
Wie stabil blieben Mentalitäten, Werte und politische Orientierungen der DDR-Eliten und der DDR-Bevölkerung nach der Wende?
Die DDR der Umbruchs- und Nach-Revolutionszeit war sicherlich eine gespaltene Gesellschaft. Durch die weitere Existenz der SED/PDS, die sich intern vom Stalinismus löste und eine sozialistische Bewegungspartei werden wollte, war es in der Gesellschaft der neuen Bundesländer möglich, einerseits die Anhängerschaften des alten Regimes organisiert zu bekommen (PDS) und auf der anderen Seite die Kräfte im pluralistischen Parteienspektrum zu sammeln, die die friedliche Revolution in der DDR herbeigeführt und mitgetragen haben. Doch diese gespaltene Gesellschaft wird überlagert durch eine andere Spaltung: in diejenigen, deren Sozialisation in der DDR ihre Mentalität und Werte-Bestimmung stark tangiert, jedenfalls in den neunziger Jahren, und Teilen der Bevölkerung, die bereits westlicher orientiert sind. Die Hypothesen sollen anhand von Elitestudien und demoskopischen Erhebungen überprüft und differenziert werden.
Jörg Baberowski (Berlin)
Kommentar